Die Preisträgerinnen der begehrten Baden-Württembergischen Staatspreise Gestaltung Kunst Handwerk stehen fest. „Die diesjährigen Preisträgerinnen zählen zu den Besten ihrer Profession und konnten die Fachjury im Wettbewerb unter anderem mit eindrucksvollem Materialeinsatz, Form- und Farbgebung und innovativer Fertigungsweise von ihren Arbeiten überzeugen. Die ausgezeichneten Arbeiten stehen für kreative Nachhaltigkeit, handwerkliche Perfektion und innovative Schaffenskraft“, sagte Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut anlässlich der Preisverleihung. Ministerialdirektor Michael Kleiner hat die Preise am 25. September gemeinsam mit dem ersten Bürgermeister Christian Baron im Prediger in Schwäbisch Gmünd übergeben.
Staatspreise – verbunden mit einem Preisgeld von jeweils 4.000 Euro – wurden überreicht an:

Die Keramikmeisterin Ute Kathrin Beck aus Stuttgart – „Gefäße im eigentlichen Sinne sind die „12 Apostel“ nicht. Eher Skulpturen, die wie Gefäße erscheinen. Groß, ausladend und sehr präsent kommen die 12 gebauten Objekte aus schamottierten, vergoldeten oder platinierten Steinzeug daher. Jedes Stück ein Unikat und dennoch in vergleichbarer Handschrift. Gefäße mit Charakter, in der die Künstlerin kulturhistorische Inhalte ihrer Kindheit in Oberschwaben aufgreift. Mit sprechenden Titeln, die zur Auseinandersetzung anregen: Schrei, Sinneswandel, Sputnik, Perlmutt, Tiara, Muse, Notre Dame, Grace, Himmelsstürmer, Drohne, Glazial, Trunkenheit. Die Serie spielt mit der Opulenz, dem Überfluss und der Dekadenz des barocken Lebensstils und fasziniert und irritiert gleichermaßen. Absolut staatspreiswürdig!“ (Jurybegründung)

Mirjam Hiller, Diplom-Designerin für Schmuck und Gerät aus Pforzheim – „Sound of Colors“ nennt Mirjam Hiller die Arbeiten, die sie zum Wettbewerb eingereicht hat. Halsschmuck, der während des Lockdowns entstanden ist, als die Sehnsucht nach Farben so groß wurde, dass sie sich einfach Bahn brechen musste. Hiller griff zur ihrer vollgefüllten Sägerestebox und wurde dort fündig. Mithilfe der einzelnen Elemente komponiert sie verschiedene Stimmungen, die aus Erinnerungen, Träumen, Gedanken, Sehnsüchten, Wut oder Angst herrühren. Die eloxierten Metallstücke mit ihren zufälligen Formen und Größen fügt sie mit Nylonschnur zu einem verschachtelten Ganzen zusammen, Vorder- und Rückseite unterscheiden sich und so erhält die Trägerin zwei Ketten in einem Stück. Absolut gelungen befand die Jury.

Die Karlsruher Schmuckdesignerin und Bildhauerin Annette Lechler – „Die Arbeiten von Annette Lechler überraschen gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen hat die Schmuckgestalterin ihr Material gewechselt. Statt edlem Silber verwendet sie Birkenholz und Fäden. Aber auch die technische Herangehensweise ist neu. Anstelle eines handgezeichneten Entwurfs erstellt sie die technische Zeichnung am Computer und nutzt den Laser, um alle Teile passend zuzuschneiden. So entsteht die Serie „andernorts“, eine geschlossene Kettenstruktur, die durch drehendes Umstülpen neue Formen annehmen kann, mal als Schale, mal als Schmuckserie. Ein gelungenes Experiment mit unterschiedlichen skulpturalen Formationen und Raumbezügen und von unerwarteter Leichtigkeit. Irritierend und anziehend zugleich. (Jurybegründung)
Urkunden und ein Preisgeld in Höhe von je 500 Euro erhielten die für den Staatspreis Nominierten

Stefan Broszeit, Schreinermeister aus Gomaringen – Wer die kunstvolle Form des Aufbewahrens schätzt, der wird von den Hauben- und Würfeldosen von Stefan Broszeit einfach begeistert sein. Schmuckstücke für Schmuckstücke zu schaffen, lautet sein Credo. Er verwendet überwiegend einheimische Obsthölzer für seine Parketerie-Arbeiten. Die aufwändig gefertigten Oberflächen zeugen von höchstem handwerklichen Geschick und bestechen durch besondere Präzision und Passgenauigkeit. Veredelt wird das Ganze durch einen Feinschliff mit lösungsmittelfreien Ölen und Wachsen. Von der Materialauswahl bis zur Haptik sehr überzeugend, so das Urteil der Jury.

Der Freiburger Schmuckgestalter Tobias Dingler– Drei Serviersets mit passenden Löffelchen für Salz und Gewürz, Kräuter und Chili hat Tobias Dingler zum Wettbewerb eingereicht. Die Jury war von der schlichten, zurückhaltenden Formensprache, der perfekten handwerklichen Ausführung und der interessanten Materialkombination Silber und Holz sehr beeindruckt. Die Gefäße machen Lust auf Anwendung und sind durch ihre zeitgemäße Formensprache gut für jeden Haushalt geeignet, um die feine Esskultur zu zelebrieren. (Jurybegründung)

Lore Wild, Korbmachermeisterin aus Oberriexingen – Selbstbewusst steht er da, der große Korb aus der Werkstatt von Lore Wild. Kein Schnickschnack, kein überflüssiger Schnörkel zerstört die archetypische Form, für die die Korbflechterin verschiedenfarbige Weiden verwendet hat. Das Korbobjekt fasziniert durch seine exzellente Farbgebung, seine Ursprünglichkeit und Größe. Ein herausragendes Beispiel für eines der ältesten Handwerke der Welt: die Korbflechterei. (Jurybegründung)
Die Förderpreise für das junge Kunsthandwerk, die mit jeweils 1.500 Euro dotiert sind und vom Wirtschaftsministerium und der Initiative „Talente fördern“ des BdK Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg e. V. vergeben werden, gingen dieses Jahr an:

Den Designer und Künstler Thomas Nathan aus Backnang – Fast ein wenig verloren stand die kleinformatige Porzellanschale zwischen den anderen Wettbewerbsarbeiten. Die Faszination für dieses Gefäß entwickelte sich erst nach und nach. Weniger wollen, mehr sehen! Die Überschrift, die Thomas Nathan für seine Arbeit gefunden hat, könnte nicht passender sein. Er reizt das keramische Material bis zum äußersten aus, setzt einen Porzellanpunkt überlappend neben den anderen in eine vorbereitete Form aus Gips, und jeder Punkt trägt den Fingerabdruck des Machers. Sophisticated und hinreißend! (Jurybegründung)

Die Stuttgarterin Franziska Bernadette Wentz, Accessoire-Designerin – Erstaunlich, groß, ausladend, skulptural und luftig: dies waren die Begriffe, die der Jury beim Betrachten der Rattan-Leuchten von Franziska Bernadette Wentz in den Sinn kamen. Inspiriert von Vorbildern der Natur – Vogelnestern, Wurzeln, miteinander verwachsenen Ästen – schafft die junge Designerin funktionale Alltagsgegenstände aus Rattan, bei denen sie aus den traditionellen Korbflechtformen ausbricht und neue, intuitive Wege geht. So meditativ wie der Produktionsprozess ist auch die Wirkung der Leuchten. Die Jury war beeindruckt und sprach ihr den Förderpreis für das junge Kunsthandwerk zu.

Der Handwerkspreis ging an Philipp Friedrich, Steinbildhauer-/Steinmetzmeister aus Teningen – Ein schwarzer, massiver Stein in Form einer Ellipse, mit ausgesägten Lamellen, geschliffenen und zum Teil polierten Oberflächen. Ein schönes, symmetrisches Objekt aus schwedischem Gabbro, das den Blick auf sich zieht und den Betrachter in den Bann zieht. Was mag das sein? Ein rein dekoratives Exponat? Eine Skulptur? Oder …? Die überraschende Antwort ergibt sich erst, wenn man den Stein mit Wasser besprüht und mit angefeuchteten Händen über ihn streicht. Dann tun sich sphärische Klangwelten auf. Eine ganz besonders eindrucksvolle, über das rein Handwerkliche weit hinaus-weisende Arbeit befand die Jury.

Im Rahmen der Preisverleihung wurde auch der Hanns-Model-Gedächtnispreis für hervorragende Arbeiten und langjähriges Mitwirken im Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg e. V. verliehen, der in diesem Jahr an die Textilgestalterin Marianne Wurst geht.
Von Marianne Wursts Engagement profitiert der BdK seit Beginn ihrer langjährigen Mitgliedschaft. Mit Kompetenz und Weitsicht trägt sie zur Zukunftsfähigkeit des BdK bei. Unter ihrer Leitung nahm die Landesgartenschau in Überlingen Gestalt an, sie realisierte Symposien und rief eine Regionalgruppe Alb-Donauschwaben für eine Anzahl von Jahren ins Leben. Die Jubiläumsausstellung 2022 wäre ohne ihren Einsatz nicht realisiert worden. Insgesamt 7 ½ Jahre lang bis 2021 war Marianne Wurst hoch geschätztes Vorstandsmitglied. Noch immer ist sie eine gefragte Ratgeberin und bei BdK-Projekten federführend beteiligt.
Marianne Wursts professionelles Wissen wurzelt in ihrer Erwerbstätigkeit als erfolgreiche Textilgestalterin mit Präsenzen auf Märkten und Messen im In- und Ausland. Realitätssinn, die Ausarbeitung von Konzepten, gepaart mit der Fähigkeit zur Teambildung, machen die Zusammenarbeit mit ihr zu Lehrstücken in Sachen Zukunft Kunsthandwerk. (Jurybegründung)
Herzliche Glückwünsche gehen an alle Ausgezeichneten!
Die Landesausstellung Kunsthandwerk wird vom 25. September bis 6. November 2022 in der Galerie im Prediger und im Labor im Chor in Schwäbisch Gmünd gezeigt – siehe Blogbeitrag vom 25.09.2022
