Die Industriedesigner können dreiste Plagiate ihres Produktdesigns alljährlich in den Wettbewerb um den schwarzen Gartenzwerg mit der goldenen Nase schicken – erfunden von dem jüngst verstorbenen Industrie-Designer Rido Busse, nachdem er im Jahr 1977 das Plagiat eines seiner Produkte auf der Frankfurter Messe entdeckt hatte. Durch die Vergabe eines Negativpreises und dessen Bekanntmachung über Presse, Funk und Fernsehen, die Öffentlichkeit und vor allen Dingen den Gesetzgeber wollte er auf mangelhafte Schutzrechte aufmerksam zu machen. Seit 1986 ist die Aktion Plagiarius ein eingetragener Verein, betreibt ein Museum und die alljährliche Ausstellung der Preisträger im Wettbewerb um das unglaublichste Plagiat auf der Frankfurter Messe „Ambiente“.
Doch was passiert eigentlich, wenn ein solo-selbständiger Handwerkskünstler eines Tages seine Produktidee kopiert und für billig Geld an anderer Stelle verscherbelt sieht? Ohne jemals gefragt oder davon in Kenntnis gesetzt worden zu sein? Und wo liegen die Grenzen zwischen Plagiat, Ideenklau und Nachahmung? Wie minimal darf die Veränderung eines Produktes ausfallen um schutzlos durch jene übernommen werden zu können, die sich Entwicklungskosten und Entwurfshonorare sparen möchten?
Am Anfang steht eine massive Verunsicherung, eine „ich glaube das nicht“ Haltung, denn in den übersichtlichen Kreisen des Kunsthandwerks kennt man sich häufig, direkt oder indirekt. Es herrscht ein ungeschriebener Codex „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu“, dem sich jeder gerne verpflichtet fühlt, denn die Gemeinschaft bedeutet auch Zusammenhalt und wertvolle, geteilte Erfahrungen. Selbstredend gehört dazu das No-Go des Ideenklaus und erst recht der dreisten Kopie. Umso schlimmer wenn man dann z.B. eines Tages auf einer Tour durch‘s World Wide Web unvermutet auf „sich selbst“ stößt!

So geschah es der Nürnberger Gold- und Silberschmiedin Toma Hilgenfeld, als sie interessiert aber ahnungslos auf https://www.cakecandleholder.com/ klickte und es kaum fassen konnte! Ihr silberner Kuchenschmuck, den sie selbst seit ihrem Studium an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg im Jahr 2006 in liebevoll hergestellten Mini-Editionen vertreibt, wird hier als offensichtliches Plagiat angeboten! Da hat eine geschäftstüchtige Kollegin aus Wuppertal gleich einen ganzen online-Shop, ja sogar noch einen Etsy-Shop dazu, eingerichtet um nun ihre offensichtlichen Kopien zum Dumpingpreis weltweit zu vermarkten.

Schnell wird klar, dass die genialen Selbstvermarktungsoptionen, die das Internet gerade für alle kreativen solo Entrepreneurs bietet, sich auch schnell gegen diese selbst wenden kann. Seit Mitte 2018 gibt es die candlecakeholder-Plattform – unentdeckt von Toma Hilgefeld. Mit ausschliesslich englischsprachigen Texten unterläuft die Seite clever Google Alerts, den Suchbegriff „Kuchenschmuck“ und eröffnet sich gleichzeitig den internationalen Markt.

Natürlich lässt sich schnell nachweisen, dass die Idee des poetischen kleinen Silberleuchters einzig in Toma Hilgenfelds kreativem Geist gezündet und seither von ihren kundigen Händen ungezählte Male gefertigt und individualisiert wurde. Unter ihrem Namen wurde er seit 2006 auf vielen Messen und Ausstellungen präsentiert und verkauft. Man kann ihn seit 2008 auch online erwerben, 2014 gab es eine schöne Publikation in dem Magazin „Landlust“ und so fort. Die faktische Grundlage für eine Abmahnung und Unterlassungserklärung sollte damit hinreichend gelegt sein.
Oder würde es reichen, die offensichtliche Nachahmerin erst einmal anzusprechen um zu signalisieren, „das habe ich gesehen und es ist nicht in Ordnung“ und um Unterlassung zu bitten?
Das Recht auf seiner Seite wissend steht einem dennoch die eigene Scham im Wege jemandem diesen Vorwurf zu machen – selbst wenn er offensichtlich begründet ist. Nicht immer geht es allein um den ökonomischen Schaden – ein solcher Übergriff kann eine emotionale Fassungslosigkeit auslösen, die schwer auszuhalten ist. Ganz generell stellt sich immer wieder die Frage, wie man als Kunsthandwerker eigene, individuelle Produktideen schützen kann ohne sich nur auf den Anstand der Kollegen zu verlassen.
Mit welcher unverfrorenen Konsequenz die Industrie sich sogar manches Handwerksstück zum allzu sklavisch befolgten Vorbild nahm, haben viele Handwerkskünstler bitter erfahren müssen. Die Dominanz der Marktmächtigen ließ sie chancenlos zurück. Im Gespräch mit der Keramikerin Carola Gänsslen, deren Gefässe vor einigen Jahren ungeniert von einer deutsche Firma kopiert und in China beauftragt wurden, erfahre ich, dass die Unterstützung eines versierten Anwaltes sehr hilfreich sein kann. Doch nur wenn die Einmütigkeit über die Eindeutigkeit des Plagiates ausser Zweifel steht – in ihrem Fall die Vervielfältigung des Gefässes als Abguss des Originals, „auf dem sogar noch meine Fingerspuren sichtbar waren!“ Ein Rechtsanwalt wird den Streitwert immer so hoch wie möglich ansetzten, da sein Honorar sich daran bemisst – und natürlich auch die Kosten für den Kläger, wenn das Recht sich nicht durchsetzen lässt. In diesem Fall wurde mit 10-20 Tausend Euro Prozesskosten gerechnet, „aber ich war so sauer und verletzt, dass mir das damals egal war.“ Die Unwägbarkeiten rechtlicher und finanzieller Kosequenzen erschrecken die angegriffenen solo-selbständige Handwerkskünstler jedoch meistens und lassen sie fatalistisch auf juristische Schritte verzichten.
Ich suchte das Gespräch mit Sabine Wilp, der Vorsitzenden des Bundesverbandes Kunsthandwerk, die diese Thematik als extrem schwierig einschätzt. Jeder Fall sei anders und individuell gelagert, die Risiken hoch. Am Anfang sollte immer zuerst das direkte Gespräch gesucht werden, rät sie. Der BK selbst verfügt als Berufsverband nicht über die Mittel, seinen Mitgliedern in diesen Fällen fachkundigen juristischen Rat anbieten zu können. Doch die Geschäftstelle hält einen Leitfaden für Geschädigte im Plagiatsfall vor, um sie im Umgang mit dieser subtilen Mischung aus Schädigung und Kränkung zu unterstützen. Auch eine Liste von Anwälten, die auf dieses Thema spezialisiert sind, können die im BK organisierten Handwerkskünstler bekommen.
Der globalisierte Markt wird das Problem weiter anfachen – das World Wide Web breitet seinen bunten Produktideen-Teppich einladend aus – und der Respekt vor den Kreationen anderer floriert dort erfahrungsgemäß nicht gerade. Um diese latente Gefahr weiß jeder angewandte Künstler und Designer. Wenn der Angriff jedoch aus den eigenen Reihen kommt schmerzt es umso mehr. Unter Kollegen sollte das Gespräch klären, ob naives Denken oder berechnendes Handeln zum Übergriff auf das umstrittene Produkt führte, und ein einvernehmlicher Ausgleich möglich sein.
Wie hochaktuell das Thema ist zeigt diese Ankündigung auf die ich hier hinweise möchte:
STYLEPARK-Talk @Clubhouse #1: Design – Original vs. Plagiat
Am Mittwoch, den 10. März 2021 um 18:30 Uhr diskutiert eine Expertenrunde auf Clubhouse zum Thema Design: Original vs. Plagiat mit Katrin Greiling (Designerin, Innenarchitektin) und Philipp Mainzer (Designer, Architekt, Mitgründer der Möbelmarke e15) sowie Jan Ludwig (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie gewerblichen Rechtsschutz) und René Spitz (Designwissenschaftler und Kommunikationsberater).
Es wird sicher spannend sein zu verfolgen, ob die Fachleute diese Fragen beantworten können:
Wo liegen die Grenzen zum Plagiat im Design? Woran erkennt man eine Designfälschung? Und wie können DesignerInnen ihr kreatives Werk schützen?
Wer noch nicht bei @Clubhouse ist kann mich gerne ansprechen und ich schicke eine Einladung – allerdings funktioniert das nur für I-phone Besitzer.

