Was macht eigentlich … Ulrike Hamm?

Ulrike Hamm im Atelier

„Anmut und Kühnheit“ vereinen sich wahrhaftig in den Schmuckstücken von Ulrike Hamm. Die Anmut und Leichtigkeit dieser Kreationen übertragen sich geradezu selbstverständlich auf ihre Trägerin. Ihre Attraktion löst zuerst Erstaunen, dann eine nachhaltige Faszination aus.

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Ulrike Hamm Brosche, gefärbtes Kalbspergament, 925/-Ag Foto: Ulrike Hamm

Die Kühnheit liegt vor allem bei der Gestalterin die dem  natürlichen Material Pergament, mit seinen durchaus tükischen Eigenheiten, diese bestechende Eleganz und Feinsinnigkeit zutraut und entlockt: „Pergament ist kein Werkstoff von der Stange, der genormt geliefert wird. Es ist störrisch, geheimnisvoll, lebhaft, kostbar, unberechenbar. Ein Material, das erspürt, erobert, erschlossen werden will. Von seiner Erscheinung und seinen Eigenschaften inspiriert, erahne ich immer wieder Neues, dem es nachzuspüren gilt.“

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Ulrike Hamm, Ohrschmuck grün-grau-zinnober,Pergament, Perle, 925/-Ag

Ulrike Hamm lies sich von 1978 bis 1981 in der Lehrwerkstatt der Gold- und Silber­schmiede-Innung in Hamburg ausbilden, kam dann nach Berlin und belegte als Gasthörerin  Seminare in Kunst­geschichte, Bildhauerei und Zeichnen an der UdK. Zwischen 1991 und 1996 studierte sie Schmuck und Gerät an der Hochschule Pforzheim, Fach­bereich Gestaltung, und präsentierte 2001 erstmals ihre Arbeiten aus echtem Pergament auf der Ambiente in Frankfurt am Main. Seit 2014 betreibt sie die „Werkstatt für Echtes Pergament“ im Aufbau Haus in Berlin-Kreuzberg. Zuletzt wurde ihr aussergewöhnliches Schaffen, nach vielen vorausgegegangene Anerkennungen, mit dem 2.Preis der Zeughausmesse Berlin 2018 ausgezeichnet.

Welche Projekte haben Dich bis zum Shutdown beschäftigt?

U.Hamm_1 Pergament FärbenZu Beginn des Jahres war ich im Berliner Technikmuseum. Dort befindet sich eine manufakturelle Schmuckproduktion, in der historische Maschinen nicht nur vorgeführt und bewundert, sondern auch benutzt werden können. Ich wollte da schon lange mal hin und hatte nun eine Idee für mein Material, das Pergament. Nach einer kleinen Versuchsreihe an einer über 100 Jahre alten Stanze, bin ich erstmal in meine eigene Werkstatt zurückgekehrt, um weiteres Material vorzubereiten: Pergament färben, spannen und auswählen.

 


Ein Versuch an der historischen Stanze (es gibt dort eine Reihe unterschiedlicher Maschinen) war deshalb naheliegend, da ich bereits Stanzversuche mit Pergament und moderner Technologie gemacht hatte und auch Teile lasern lasse. Hierbei gebe ich ein größeres Stück Pergament aus der Hand und bekomme einen Haufen von Kleinteilen zurück, die dann weiterbearbeitet und zu Schmuckstücken zusammengesetzt werden. Da ein größeres Pergamentstück in verschiedenen Bereichen auch ein sehr unterschiedliches Verhalten aufweist und man das zunächst nicht sehen kann, taugt das Lasern als Arbeitserleichterung nur für wenige meiner Schmuckstücke.

U.Hamm_5 Historische StanzeDie historische Stanze ermöglicht mir hier einen präziseren Zugriff auf bestimmte Bereiche des Pergamentes und ist damit recht effizient.

Nachdem ich also viele Pergamentstücke in den für mich relevanten Farben vorbereitet hatte, wurden diese bei einem zweiten und dritten Besuch im Museum wieder komplett zerlegt. Ich habe mir aus dem Bestand zwei Stanzformen herausgesucht, die mir genügend neutral erschienen. Man findet dort Formen, die sehr typisch für Schmuckstücke aus Edelmetall und der Pforzheimer Schmuckherstellung sind.

 

In diesem Fall … rein äusserlich… Wolken.

 

Auch konnte ich in der Museumswerkstatt ein (modernes) Punktschweißgerät ausprobieren für den nächsten Schritt meiner Arbeit.

Dann kam der 17. März … mein Geburtstag … und das jähe Ende von Besuchen in öffentlichen Einrichtungen.

Gibt es neue Entwürfe, die Du auf einer geplanten Messe/Ausstellung gerne vorgestellt hättest?

U.Hamm_8 Pergament Stanzform 1Tja … genau da hätte ich dann weitergemacht. Mit so einem Punktschweißgerät hatte ich bisher noch nicht gearbeitet. Da es möglich ist, nah am Pergament auch Metall zu verbinden, könnte dies für die Pergamentarbeit eine neue Dimension eröffnen. Aber … die Sache darf nun erstmal ruhen.

Eine größere Ausstellung im Juli ist abgesagt und eine weitere Veranstaltung im August ebenso. Ob Ausstellungen im Herbst und Winter stattfinden und aufgrund von Maskenpflicht und Abstandsregeln überhaupt sinnvoll sind, vermag ich im Moment noch nicht zu beurteilen.

Wie gehst Du nun mit der „geschenkten“ Zeit um?

U.Hamm_9 Pergament Stanzform 2Während der Tage im Museum hatte sich bereits ein Auftrag angebahnt. Aufträge waren für mich über viele Jahre keine Option, da ich mich in der Arbeit mit dem Pergament in kaum einer Weise nach den Wünschen anderer richten wollte. Kunden mit Auftragswünschen sind Spezialisten ihrer eigenen Vorstellungen und diese auszuführen habe ich lange dermaßen beklemmend gefunden, dass das in meinem Schmuckmacherdasein normalerweise kein Angebot ist. Anders mit einem Menschen, der mir seit einigen Jahren hin und wieder die besonderen Eckdaten für ein Objekt oder ein Schmuckstück nennt, das neben Goldschmiedewissen und Können auch immer eine Anforderung für ein oder mehrere speziell eingearbeitete Pergamentelemente verlangt. Über diese speziellen Aufträge kehre ich nun tatsächlich zu meinen Goldschmiedewurzeln zurück, die ich mit dem Beginn meines Schmuckstudiums und der Entscheidung für die Pergamentarbeit mühevoll verbannt habe.
Nach so vielen Jahren (mit 16 habe ich das Goldschmieden begonnen) eröffnet sich plötzlich ein vorhandenes Potential wie eine kleine Schatzkammer. In der Zeit des Lockdowns war diese Arbeit in vielerlei Hinsicht ein Geschenk und ein Privileg.

Im Anschluss an diesen Auftrag war eine Reise nach Korsika gebucht, um dort zu wandern. Jetzt sitze ich in Brandenburg in einem Garten, wo ich vor einigen Jahren eine kleine Apfelbaumplantage angelegt habe. Ein Schuppen mit einer Grundfläche von 18 qm ist zu einem recht passablen 1-Raum-Gartenwohnhäuschen umgebaut und alles mutet recht südländisch an, auch die Temperaturen. Ich bleibe zwei Wochen und vermisse … nichts.

Welche Themen beschäftigen Deine Kreativität?

Hamm_A51 rosa braun blauPrinzipien, Strukturen, Ordnungen … zerlegen, verbinden … erhalten, loslassen … in allen Lebensbereichen.

Siehst Du eine Chance in der Krise?

Natürlich! Ich finde es auch (aber nicht nur) heilsam, aus der gewohnten Bahn herausgeworfen zu werden und innezuhalten. Die meisten von uns sind doch so wahnsinnig fokussiert. Das ist einerseits notwendig und gut, es zu können. Aber es ist auch ein Hamsterrad. Als frei arbeitender Mensch befürchte ich immer, mich aus dem laufenden Geschehen heruszukatapultieren, wenn ich nicht dranbleibe. Zudem muss ich zusehen, dass ich Geld verdiene. Freiwillig zu pausieren ist für mich immer eine schwierige Entscheidung. Gesamtgesellschaftlich sieht es genauso aus. So teuer dies für uns alle werden wird, so heilsam ist doch die Entschleunigung.

Übrigens bin ich – wie sicher viele von uns – unter den Rettungsschirm für Soloselbstständige und Freiberufler gefallen. Das macht den Ausnahmezustand natürlich auch überwindbar, da die laufenden Kosten gedeckt sind. Sonst wäre ich wahrscheinlich nicht so entspannt.

Text © Schnuppe von Gwinner /Ulrike Hamm

ANMUT • KÜHNHEIT
Werkstatt für Echtes Pergament

Aufbau Haus am Moritzplatz
Prinzenstraße 85 C
10969 Berlin

http://www.anmut-kuehnheit.de/