Der legendäre Jörg von Manz wäre in diesem Jahr achtzig Jahre alt geworden. Das Keramikmuseum in Schloss Obernzell bei Passau zeigt aus diesem Anlass eine Retrospektive über das Werk des „verrückten Töpfers“.
Der Keramiker Jörg von Manz ist Legende.
Kaum ein Keramiker in der Region, der nicht Wert darauf legte, wenigstens eine Zeit lang bei dem genialen Töpfer in der Werkstatt gearbeitet zu haben. Seine Kreativität war begeisternd. Außerdem hatte er ein ausgeprägtes pädagogisches Talent. Begabungen erkannte er instinktiv. Seine Schüler, von denen in der Region Monika Drescher, Hans Fischer und Martin Waubke zu nennen sind, fühlten sich von seiner Freiheit im Denken und Arbeiten angezogen. Trotzdem entwickelten sie ihren individuellen Stil und haben eigene Wege gefunden. 2013 gab es im Museum Schloss Obernzell eine erste Ausstellung mit Gebrauchsgeschirr und Plastiken von Jörg von Manz, die zum ersten Mal den Blick auf das einzigartige keramische Werk des 1997 mit nur achtundfünfzig Jahren viel zu früh verstorbenen Künstlers richtete. Nach großen Erfolgen in den 1960er Jahren mit Gebrauchsgeschirr hatte von Manz sich in den Bayerischen Waldes, nach Breitenberg zurückgezogen und ließ dort seine liebenswerte phantastische Welt von Kobolden und Schutzgeistern, Glücksrittern und Liebesboten entstehen.
Jörg von Manz suchte schon immer die große Freiheit. Der Schulzeit mit wiederholten Fluchtversuchen folgten eine Lehre bei dem Keramiker Franz Eska in München und die Meisterschule in Landshut. 1964 eröffnete Jörg von Manz seine erste Werkstatt in Pattendorf, in der alten Hafnerlandschaft des Kröning bei Landshut. Seine Idee, die traditionelle bayerische Hafnerware mit der Schlichtheit skandinavischen Designs zu verbinden, traf einen Nerv der Zeit. Mit bis zu zehn Beschäftigten schrieb er Erfolgsgeschichte. Er ließ die niederbayerische Hafnertradition wieder aufleben, indem er das bäuerliche Gebrauchsgeschirr individuell und neu interpretierte. Einen Topf von Manz erkennt man auch heute noch auf den ersten Blick.
Nach dem Umzug nach Gottsdorf bei Passau ließ er sich seine „Kröninger Keramik“ patentieren. Der künstlerische Umbruch stand da allerdings schon bevor. Er kaufte einen Einödhof im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Tschechien und zog mit Sack und Pack und Kind und Kegel nach Spießbrunn bei Breitenberg. Gebrauchsgeschirr interessierte ihn immer weniger. Er wollte endlich „was Unvernünftiges“ machen und begann, Teller und Dosen zu bemalen und immer mehr frei plastisch zu arbeiten. In Spießbrunn entstand eine letzte, vollendet schöne Serie eines türkisgrünen Geschirrs, bevor von Manz dann endgültig nur noch „geschirrfremd“ plastisch arbeitete. Allmählich entzogen sich seine Geschöpfe jedem sinnvollen Gebrauch. Was blieb, waren die auf der Scheibe gedrehten Einzelteile und Gliedmaßen, aus denen sich die Schafschweine und Schnüffelhunde, die Kuhhasen, Wagenlenker und Liebespaare, Piratenschiffe und in Drähten schaukelnden Figuren zusammensetzen. Über „Kapuziner“- Töpfe mit anmodellierten Gesichtern, die bepflanzt werden können und „Lichtweiberl“ fand er zum vollplastischen Modellieren, auch die glänzende Blei-Glasur verschwand.
Die von Manz’sche Werkstatt wurde ein Kristallisationspunkt für Lehrlinge, Kollegen, Sammler und Freunde und für die Leute aus dem Dorf, für die er der verrückte Töpfer war, mit dem sie gerne lebten. Er ließ sich beeinflussen von der unmittelbaren Formensprache, wie man sie bei plastischen Arbeiten in Afrika oder Asien und bei vor- und frühgeschichtlicher Keramik findet. Das war die Ursprünglichkeit, die er in der eigenen Arbeit suchte. Seine liebenswerten Figuren sprühen vor Spontaneität und Lebendigkeit, ein Feuerwerk kreativer Einfälle. Obwohl von Manz behauptete „Ich habe kein handwerkliches Geschick“, ist er in die Annalen des bayerischen Kunsthandwerks eingegangen und hat ein wichtiges Kapitel keramischer Formgeschichte des 20. Jahrhunderts geschrieben. Noch heute wird er endlos kopiert. Dagegen hätte er wohl kaum etwas einzuwenden. Er wollte als Künstler nicht nur für sich vorwärts kommen, er wollte etwas bewegen mit seinem Werk.
Galeristen und Museen haben diesen „unvernünftigen“, wichtigsten Teil seines Werks zu seinen Lebzeiten nicht ernst genommen und so sind seine Arbeiten vor allem in Privatbesitz zu finden. Aber er wollte ja nie in ein Museum, er wollte, dass seine Stücke unter den Menschen sind und sie mit ihnen leben. Das hat er erreicht. Und so einige Keramiker arbeiten in seiner Nachfolge und in seinem Sinne „unvernünftig“, eigenwillig und frei.
Text: Ines Kohl | Quelle: Schöner Bayerischer Wald 3/2019 (Nr. 248)
Keramikmuseum im Schloss Obernzell
Schloßplatz 1
D-94130 Obernzell bei Passau
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr, Eintritt frei!