Für die Teilnahme an der vom 21.10. bis 23.10. 2022 stattfindenden GRASSIMESSE im Leipziger GRASSI Museum für Angewandte Kunst wurden rund 140 Ausstellerinnen und Aussteller aus sieben europäischen Ländern sowie aus Südkorea, Taiwan und den USA ausgewählt. Das diesjährige Gastthema „á la francaise…“ präsentierte die Agentur craf2eu und stellte überraschendes Design und Kunsthandwerk aus Frankreich vor. Drei Hochschulen zeigten aktuelle Semesterprojekte: Von Ideen fürs Zubehör der Spitzengastronomie über kreative Spielmittel bis hin zur alten Kultur des Brotbackens mit all seinen Accessoires.

Die Schwerpunkte der diesjährigen Grassimesse lagen in den Bereichen Schmuck und Keramik, gefolgt von Textil, Glas, Möbeln, Metall und Papier. Etwa ein Viertel der Ausstellenden waren Newcomer auf der Grassimesse 2022, alle Weiteren waren bereits auf einer der vergangenen Grassimessen zu Gast. Die historischen Wurzeln der GRASSIMESSE liegen im Jahr 1920. Gestern wie heute sind künstlerische Qualität in Gestaltung und Ausführung ebenso wie Eigenständigkeit und Experimentierfreudigkeit entscheidende Kriterien für die Auswahl der Jury.

In den vergangenen zwei Jahren waren auf Grund der geltenden Corona-Maßnahmen neue, räumlich großzügigere Präsentationsideen für die Ausstellenden gefragt. Eine der sich als sehr erfolgreich erwiesenen Novitäten bestand darin, eine Reihe von Messeständen im ersten Teil der Dauerausstellung ANTIKE BIS HISTORISMUS zu platzieren. Dies hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass auch 2022 wieder reizvolle Kombinationen zeitgenössischer und historischer Objektkunst überraschende Dialoge für Gäste und Ausstellende zwischen Tradition und Gegenwart ergaben.

Insgesamt fünf Grassipreise mit einer Gesamtdotierung von 8.500 € vergab die Jury der Grassimesse für herausragende Arbeiten und Konzepte:

Seit 1997 wird die Grassimesse von der Carl und Anneliese Goerdeler-Stiftung gefördert. Die gemeinnützige Stiftung wurde von den Nachfahren des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters im Jahr 1995 gegründet. Im Andenken an den mutigen Widerstand von Carl Goerdeler während des Nazi-Regimes und der Verbundenheit seiner Frau Anneliese Goerdeler mit dem GRASSI Museum für Angewandte Kunst wird der mit 3000 € Preisgeld ausgestattete Grassipreis der Carl und Anneliese Goerdeler-Stiftung seither verliehen – 2022 an die Designkooperative OODD – Magdalena Sophie Orland und Susanne Ostwald.

Jurybegründung: Mit dem Preis werden zwei Designerinnen ausgezeichnet, denen es gemeinsam gelingt, ganz neue Möglichkeiten der Textilkunst aufzuzeigen.
Die Textildesignerin Magdalena Sophie Orland und die Modedesignerin Susanne Ostwald, beide Absolventinnen der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, gründeten 2021 die OODD Studios als interdisziplinäre Designkooperative. In der Verbindung traditioneller textiler Techniken und Anwendungen entwickeln sie neues Design in der Auseinandersetzung mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Umwelt.
Eine wichtige Quelle ist die für die Textilgeschichte in Sachsen bedeutende Spitze. Ausgehend von konzeptbasierter Forschung und in Auseinandersetzung mit historischen Vorbildern entstehen in der Umsetzung mit digitalen Möglichkeiten in unterschiedlichen Materialien und Technik neue und zukunftsweisende Formen und Anwendungen von Spitze. Dazu gehören dreidimensionale textile Objekte, die in ihrer Gestaltung mit Elementen aus Architektur und Grafik für sich stehende Kunstwerke sind, die aber auch funktional als Gefäße genutzt werden können. Faszinierend ist die feine, viel in Handarbeit gefertigte Ausführung in der deutlich zu erkennenden ästhetischen Auseinandersetzung mit digitalen Strukturen und Mustern.

•Der Grassipreis der Sparkasse Leipzig dient seit 1997 der Förderung des zeitgenössischen Kunsthandwerks und Designs und wird bereits seit 25 Jahren verliehen. Er ist mit 2.000 € dotiert und ging in diesem Jahr an die Keramikkünstlerin Ute Kathrin Beck.

Jurybegründung: Seit 1996 widmet sich Ute Kathrin Beck in ihrer Werkstatt Gefäßen. Zur Grassi Messe 2022 präsentiert sie die Serie „Apostel“: Vasen – fast möchte man jedoch Skulpturen sagen, weil die Objekte durch ihre Form und sowie die sich aus dieser ableitende Proportionierung an Figuren erinnern. Besonders augenfällig ist dies bei den Keramiken, die in der Predella eines Altars, in der einst Nothelfer-Heiligenfiguren standen, Platz gefunden haben. Trotz des Altersunterschieds von über 520 Jahren verschmelzen Retabel und Keramiken zu einer ästhetischen Einheit. Die Farbtöne und der Glanz der Glasur reagieren auf die Altarfassung. Die Wölbungen und Kanten in den Gefäßwänden lassen an den Faltenwurf der Holzfiguren denken. Und nicht zuletzt wecken die langestreckten Formen und fließenden Umrisse Assoziationen an gotischen Dekor. Neben dem Changieren zwischen Figürlichkeit und Abstraktion hob die Jury die künstlerische Qualität der Einzelobjekte hervor. Nicht nur die gekonnte Formfindung und hochwertige Umsetzung, sondern auch das Spiel mit Farben und Oberflächen überzeugte. So bewirkt zum Beispiel der Einsatz von Gold eine edle Anmutung, erscheint jedoch niemals kitschig.

•Der Apolline-Preis ist mit 1000 € dotiert und wird seit 2011 von der Familie Lyscov-Saucier aus Brüssel gestiftet, die der angewandten Kunst sehr zugetan ist.

Jurybegründung: Hallstadt-Pieces nennt Elke Sada Ihre Gefäße, die den Fragmenten eines alten, zusammengenieteten Kupferkessels nachempfunden sind, den die Künstlerin im Hallstädter Museum entdeckt hat.
Über die Gefäßwand zieht sich eine kräftige Malerei, deren starke Farben einem prächtigen Vogelgefieder nachempfunden sind. Matte Glasuren wechseln sich mit glänzenden ab und spiegeln so den Variantenreichtum und die Haptik eines Gefieders wider. Jedes Gefäß ist einem bestimmten Vogel zugeordnet.
Im Licht des Römischen Saals, wo Sadas Gefäße stehen, macht das Streiflicht zudem sichtbar, wie die Künstlerin ihre Arbeitsspuren im noch weichen Ton hinterlassen hat. Eine weitere Werkgruppe zeigt eine andere Herangehensweise. Hier beginnt das Gefäß mit der Malerei, die auf eine anfangs noch plane Tonplatte übertragen wird. Erst danach erhält sie ihre Form, wodurch die Malerei zum Dekor wird, das sich durch Überlappungen und Schnitte endgültig der Form anpasst.
Ein generöser Gestus, der sich auch im übertragenen Sinn fortsetzt. Denn Elka Sada hat auch befreundeten Künstlern ihr Metier überlassen. Sie stellt ihre Gefäße als Projektionsfläche für deren eigene Malereien zur Verfügung.

•Rosemarie Willems aus Rotterdam (NL), eine dem Museum seit langem verbundene Sammlerin, stiftet ab 2022 einen neuen, mit 1.500 € dotierten Jan Willems-Preis zum Andenken an ihren Vater. Dieser soll vor allem Kunsthandwerker sowie Designerinnen aus dem Bereich Holz fördern. Der erstmalig verliehene Jan Willems-Preis wurde dem Künstlerduo „DOPPELDENK“ überreicht.

Jurybegründung: Seit 2007 arbeiten Marcel Baer und Andreas Glauch unter dem Namen „DOPPELDENK“ in Leipzig zusammen. Sie überraschen mit Objekten in einer ganz eigenen Form- und Zeichensprache aus unterschiedlichen Materialien – Holzskulpturen, Gebrauchsgrafiken und Leuchtobjekte. Bekannte Symbole, Piktogramme und Figuren werden aus ihren jeweiligen Kontexten gelöst und in einer neuen und ungewohnten Form in kontrastreichen Farben vorgestellt. Damit verweigern sich die Objekte einer Verortung innerhalb eines „bequemen“ Schubladendenkens. Von großer Faszination sind die aus Holz gefertigten Tiere, die eine strenge, nahezu kubistische Formensprache besitzen und sich damit einer Verniedlichung entziehen. Die Leuchtobjekte mit ihren grell-bunten Neonfarben der Popkultur suggerieren eine gewisse Vertrautheit. Bemerkenswert ist das augenzwinkernde Verhältnis zur Kunstgeschichte, das in einigen Arbeiten zu entdecken ist – Beziehungen zur christlichen Ikonographie und den berühmten Egerer Reliefintarsien des 17. Jahrhunderts sind dabei offensichtlich. Die Arbeiten von „DOPPELDENK“ wecken Neugier und üben eine große Faszination auf die Betrachter/-innen aus

•Der Freundeskreis GRASSI Museum für Angewandte Kunst e.V. hat 2018 einen mit 1.000 € dotierten Preis ins Leben gerufen. Dieser Preis der Grassifreunde ist ein engagierter Schritt zur speziellen Förderung der Grassimesse, die dem Freundeskreis seit Wiederbegründung der Grassimessen im Jahr 1997 ein wichtiges Anliegen ist. Gaby Veit erhält diese Auszeichnung 2022.

Jurybegründung: Gabi Veit ist eine Wandlerin zwischen den Welten. Aus der Grafik kommend und viel später beim Schmuck gelandet, hört sie nicht auf immer neue Wege zu beschreiten. Eine Konstante bildet nur ihr intensives Interesse am Sammeln, das sie stets aufs Neue inspiriert. Das Thema Löffel begleitet sie schon eine ganze Weile.
Im Museum für Angewandte Kunst sind die, in der Ständigen Ausstellung präsentierten „Sieben Todsünden“ ein wichtiger Bestandteil. Die kaum als Löffel erkennbaren Objekte sind für die Besucher jedoch ein Paradebeispiel dafür, wie der sperrige Begriff der angewandten Kunst sich am besten selbst erklärt. Ein Löffel kann, muss aber nicht zuallererst einer Funktion dienen. Wie spannend ist es doch zu beobachten, wie Gabi Veit ihre Löffel als eigenständige Kreaturen aufleben lässt: Durch üppige Granulationen, durch Schwärzen, durch stacheliges Beiwerk.
Ihr Messestand, in Nachbarschaft mit schmiedeeisernen Gittern der Barockzeit, die vom ehemaligen Johannisfriedhof stammen und einem modernen Totentanz, hat Gabi Veit ihre eigene Stimme gefunden. Trotz aller Nähe zu morbiden Formen und Vanitas-Gedanken stehen der Schmuck und das Gerät von Gabi Veit für die heitere Version dieser Gedankenwelt.

•Der GRASSI Nachwuchspreis der Firma culturtraeger wird jährlich für die beste Abschlussarbeit im Fachbereich Design an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Hallevergeben und beinhaltet neben einer Präsentation auf der Grassimesse eine CityCards-Postkartenedition sowie den Ankauf für die Sammlungen des GRASSI Museums für Angewandte Kunst, Leipzig. Der Preis wird durch eine Jury zur Jahresausstellung der Burg Giebichenstein vergeben – 2022 an Josua Roters.
Von der Fläche in die Form. Wie aus einem Semesterprojekt eine nachhaltige und einleuchtende Umsetzung wird, hat Josua Roters mit seinem Projekt „Maßbandleuchten“ bewiesen.
In einer Welt, in der immer alles komplizierter wird, ist ein Produkt hochwillkommen, das einfach und beherrschbar ist. Josua Roters‘ Ausgangsmaterial sind handelsübliche Maßbänder aus Metall, die durch ihre leichte Wölbung stabil und dennoch flexibel sind. Das Metall und die darin eingelegten Lichtbänder aus LED können mittels individuellen Gelenken, die aus dem 3D-Drucker kommen, in die unterschiedlichsten Winkel geformt werden. Seine Wand- und Deckenleuchten bieten den Nutzern und Nutzerinnen ein Spiel mit beinahe endlos vielen Varianten. So bleiben Interaktion und Teilhabe keine leeren Floskeln, sondern Ausdruck eines Verstehens des Prinzips.
Design, das sich selbst erklärt und dabei auch ästhetischen Anforderungen genügt, war für die Jury ausschlaggebend. Dass das Produkt darüber hinaus auch Ressourcen schonend ist sowie den heutigen Wohnkonzepten mit Hang zu Mobilität und Zwang zum Platzsparen entspricht, ist ein Gestaltungsansatz der heutigen Maßstäben gerecht wird.

Die jährlich im Oktober stattfindende GRASSIMESSE gilt als eine der führenden internationalen Verkaufsmessen für angewandte Kunst und Design, als Treff für Kreative, Galerien, Fachleute, Besucherinnen und Besucher aus ganz Europa. Die Grassimesse lädt zum Schauen, Kaufen und Informieren ein und zeigt Tendenzen und neue Kreationen in den Bereichen Schmuck und Accessoires, Keramik, Porzellan, Mode und Textil, Möbel, Holz, Metall, Glas und Spielzeug.
GRASSIMESSE im GRASSI Museum für Angewandte Kunst / Johannisplatz 5-11 / 04103 Leipzig
Zur GRASSIMESSE 2023 vom 20. bis 22.10.2023 kann man sich ab Anfang März 2023 bewerben
