Gläserne Steine – Kai Schiemenz: Leipzig bis 03.04.2022

In der lichtdurchfluteten Orangerie des GRASSI Museums für Angewandte Kunst in Leipzig werden installative Glas-Skulpturen von Kai Schiemenz (*1966) präsentiert. Die Arbeiten des in Berlin lebenden Künstlers erinnern an Steine oder Kristalle und damit an den Ursprung des Materials Glas.

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Kai_Schiemenz, Shard 2013, Foto:Uwe_Walter

Die Glasskulpturen von Kai Schiemenz muten auf den ersten Blick wie kostbare Schätze aus dem Erdinneren an und faszinieren durch eine intensive, teils polychrome Farbigkeit. Seit 2012 schafft Kai Schiemenz seine beeindruckenden Glasskulpturen, die auf faszinierende Weise mit dem Licht spielen. Sie scheinen transparent und opak zugleich und mitunter auf rätselhafte Weise von innen heraus zu leuchten. Für die Ausstellung hat der in Berlin lebende Künstler zehn freistehende Glasskulpturen sowie drei Wandarbeiten, sämtlich entstanden in den Jahren 2013 bis 2019, ausgewählt.

Von Steinbrüchen inspiriert, schafft er Abformungen im Atelier, die in einer tschechischen Manufaktur dann in Glas übertragen werden. Kai Schiemenz stellt seine Arbeiten neben Sammlungsauszüge des Naturkundemuseums Leipzig, Stücke aus der Sammlung Johann Wolfgang von Goethes, des Leipziger Juweliers Ernst Treusch und Fritz Schiemenz´ – Mineraloge und Vater des Künstlers. Ergänzend dazu überraschen Arbeiten der Schmuckgestalterin Jil Köhn, deren Schmuckstücke an Steinformen erinnern.

Im Sinne des Erzählerischen sind die Objekte in Kapitel unterteilt, die zugleich verschiedene Perspektiven des Sammelns beleuchten. Welche Geschichten und Hintergründe sich hinter ausgewählten Exponaten und Sammlungsauszügen verbergen, ist im Mediaguide unter der Rubrik „Sonderausstellung“ zu erfahren. Im Zentrum stehen die „Gläsernen Steine“ von Kai Schiemenz und die Geschichte ihrer Entstehung.(Pressetext)

GRASSI Museum für Angewandte Kunst
Johannisplatz 5–11
04103 Leipzig

Öffnungszeiten: Di – So, Feiertage 10–18 Uhr

 

Kai Schiemenz in der Galerie EIGEN + ART Leipzig bis 29.01.2022

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Ausstellungsansicht Galerie Eigen + Art, Leipzig

„Kolk“? Dieses deutsche Wort, das wie ein Hirngespinst klingt, beschreibt einen Zustand in der Natur: eine tiefe Grube an einem Flussufer, die durch Steine entsteht, die von Wasserwirbeln umgeworfen werden. Kai Schiemenz hat diesen paradox klingenden und klanglosen Begriff für seine aktuelle Ausstellung in der Galerie EIGEN + ART Leipzig gewählt. Die Schau ist ein Experimentierfeld, in dem ausgearbeitete Glasarbeiten, die nach Kristallen benannt sind, mit rauen Betonkörpern zusammenkommen. Der Titel und die gezeigten Skulpturen sind insofern verbunden, als sie sich auf die Natur beziehen, genauer: auf den Boden und die in und durch ihn entstehenden Räume.

Kai Schiemenz hat in den vergangenen Monaten eine Art archäologische Ausgrabung unternommen. Auf Einladung des Zentrums für Urbanistik im Rahmen des Projekts „RE-TURN Skulpturenpark Berlin_Zentrum“ grub er im Bereich des ehemaligen Niemandslands neben der Berliner Mauer in der Mitte der Stadt Löcher, goss Beton in die Löcher und holte die Abdrücke aus der Erde. Dieser Streifen war jahrzehntelang Teil der städtischen Brachfläche, einer Sperrzone. Bei seinen Ausgrabungen stieß Schiemenz manchmal auf Reste von Kellerwänden längst verschwundener Gebäude, deren oberirdisches Leben vor mehr als einem halben Jahrhundert zu Ende ging. Heute befindet sich in diesem Gebiet ein wohlhabendes Wohnviertel, das jedoch nicht viel lebendiger wirkt. Die groben Betonkonstruktionen, die aus diesen letzten Leerstellen des Viertels gehoben wurden, stehen nun im Ausstellungsraum. Sie erzählen von ihrer Herkunft aus der (städtischen) Natur, Steine bleiben an ihnen haften, Trümmer. Sie halten einen Ort fest, den es so nicht mehr gibt. Weil sie existieren, hat das, was verloren ist, eine Gegenwart.

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Ausstellungsansicht Galerie Eigen + Art, Leipzig

Die Schärfe des grauen, porösen Betons wird in der Ausstellung mit den kühlen Kanten der polychromen Glasarbeiten wie „Beryll“, „Topaz“ und „Rotil“ kontrastiert. Ausgangspunkt für diese Arbeiten ist Schiemenz‘ Faszination für kristalline Formen, für die Geologie im Allgemeinen. Die Formen und Materialitäten der im Atelier gebauten Kristallkörper verweisen auf ihre Vorbilder in der Natur und sind zugleich autonome Architekturen, expressionistische Konstruktionen im Raum. Wie in seinen früheren Werkgruppen, den „Steinen“, hat Schiemenz die Kristallformen in böhmischen Manufakturen in Glas umgesetzt. Ihre Fähigkeit, Licht aufzunehmen und zu reflektieren, verändert ständig die Wahrnehmung dieser eigentlich unveränderlichen Körper; sie sind scheinbaren Verwandlungen unterworfen. Das Wechselspiel zwischen der Opazität und der Transparenz des Glases öffnet einen Raum im Inneren der Skulpturen und erlaubt es dem Betrachter, seinen Blick in dieser visuell unbestimmten Dimension zu verlieren.

Bei der gemeinsamen Betrachtung der Betonformen und der Glasskulpturen treffen zwei Strategien der Skulpturenherstellung aufeinander: Erstere entstehen aus einer Negativform, durch das Gießen in einen Hohlraum, letztere aus einer Positivform, durch die Konstruktion eines Objekts und dessen Abformung, in diesem Fall durch einen Handwerksbetrieb. Beiden Arbeitsprozessen gemeinsam ist in Schiemenz‘ Methode der Verlust der Kontrolle, das unbedingte Spiel mit dem Zufall. Hier entstehen Form und Raum. In der Begegnung der Skulpturen entsteht ein neuer Raum, eine Art Park mit erdigen und kristallinen Formen. Eine neue Natur wird geschaffen. (Dr. Elisa Tamaschke)

Galerie EIGEN + ART
Spinnereistraße 7. Halle 5
04179 Leipzig

Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 11bis 18 Uhr