Die Stiftung Mensch verfügt im Alten Pastorat in Meldorf über eine deutschlandweit einzigartige Beiderwandweberei. Bestandteil der Weberei ist ein historisch gewachsener Musterschatz mit komplexen Jacquardkartenläufen, historischen Webstühlen, Maschinen und Geräten sowie einem Archiv an Gewebezeichnungen und Musterproben. Der Betrieb erfolgt durch die Stiftung Mensch. Die Produktion orientiert sich an historischen Vorlagen.

Durch den Kontakt mit dem Werkstattleiter, Wolfgang Sternberg, entstand die Idee, mit Studierenden neue, zeitlose Entwürfe für die historische Museumsweberei zu entwerfen. Bereits in vorigen Semestern hatten Studierende Entwürfe entwickelt, beispielsweise für eine Bauhaus-Ausstellung des Tuchmacher Museums Bramsche, für den akademischen Schal der Universität Osnabrück oder für ein Sozialprojekt in Sri Lanka. Wolfgang Sternberg hatte im Zuge der Werkstatt-Restrukturierung im Textilen Gestalten bei der Restaurierung des facheigenen Lochkartenjacquardwebstuhles geholfen. Nun bot sich die Gelegenheit zu einer weiteren Zusammenarbeit – eine kulturhistorische Annäherung an die Beiderwandweberei auf zeitgenössischer Basis.

Instandsetzungsarbeiten an den Geräten ermöglichten seit Kurzem das Schlagen von neuen Kartenläufen in Meldorf. Dies eröffnete die Möglichkeit für das Kooperationsprojekt zwischen der Beiderwandweberei der Stiftung Mensch und dem Fachgebiet Textiles Gestalten der Universität Osnabrück. Angeregt durch die historischen Motive, die in Stand gesetzte Technik und die ursprünglich intendierte Museumspraxis, in der Werkstatt neue Muster zu entwickeln, machten sich die Studierenden an die Arbeit. Ziel war es, zeitlose, geome- trische Muster zu entwickeln, die sich mit überschaubarem Aufwand in Jacquardkartenläufe umsetzen lassen könnten. Die aufwändigen historischen Kartenläufe erfordern Tausende von Jacquardkarten, die Karte für Karte geschlagen und zu einem Lauf zusammengenäht werden müssen. Zur praktischen Umsetzung sollten Muster entwickelt werden, die mit ein- bis zweihundert Jacquardkarten im Werkstattbetrieb der Stiftung Mensch umsetzbar sein könnten.

Die Studierenden erarbeiteten sich einen Zugang zur Technik der Beiderwandweberei. Sie beleuchteten Herkunft, Verwendung, Entwicklung, Materialien und Bedeutung der historischen Gewebetechnik. Auf dieser Grundlage erfolgte die Umsetzung der Entwürfe im individuellen und kollektiven Designprozess der Seminarteilnehmerinnen von handgefertigten Skizzen, der Bearbeitung im Bildbearbei- tungsprogramm und der Rapportierung bis zur Realisierung als Gewebeprobe am digitalen Handjacquardwebstuhl TC2 des Fachgebietes.
Am Projekt beteiligt waren die Studierenden Canan Barcin, Jessica Kirschmann, Annika Klinkig, Anja Leshoff, Rieke Ohlsen, Sophia Schlimm, Heidrun Schneider, Zeynep Yaman und Beyza Yilmaz. Die Seminarleitung lag bei der Textildesignerin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Fachgebietes, Lucia Schwalenberg.
Die Ergebnisse des Kooperationsprojektes zeigt eine Ausstellung in der Schaufenstergalerie Stichpunkt des Textilen Gestaltens von Mai bis Juni 2021 in der Seminarstraße 33 in Osnabrück. (Text: Lucia Schwalenberg)
Weitere Informationen:
Universität Osnabrück/Fachgebiet Textiles Gestalten, Dipl. Journ./Dipl. Des. Lucia Schwalenberg: 0541-969-4219 / 05103-706424, lucia.schwalenberg@uni-osnabrueck.de