Jutta Cuny-Franz-Gedächtnispreis 2021 geht an …: online Preisverleihung am 01.05.2021

Anna Lehner | “Brittle Boundaries,” Wisconsin 2019, Glass, Microcomputers, Solenoid Valve, USGS Earthquake Notification System, 10 × 182,88 × 853,44 cm, Foto: Jim Butch

Dieses Mal wurde ein neuer Rekord aufgestellt:  283 Einsendungen aus 47 Ländern bewarben sich bei der Jutta Cuny-Franz Foundation um den Jutta Cuny-Franz Gedächtnispreis 2021! So kam eine absolut überzeugende Auswahl von  Künstlern zusammen, deren unterschiedlichen künstlerischen Konzepte – getragen von politischen und gesellschaftlichen Anliegen – dem Material Glas eine tragende Rolle zuweisen, die weit über den Aspekt des Angewandten hinausreichen.  Ich fand die Beschäftigung mit diesen so unterschiedlichen und ambitionierten Ansätzen so spannend, dass ich alle Ausgezeichneten kurz vorstelle und auf weiterführende Seiten verlinke um auch anderen die Erkundung in die Tiefe direkt zu ermöglichen.

Aufgrund der Pandemie findet die diesjährige Preisverleihung online statt. Bitte gratulieren Sie  den Künstlern und melden Sie sich für das Zoom-Webinar-Meeting am Samstag, 1. Mai 2021 um 16 Uhr mitteleuropäischer Zeit (= 15 Uhr UTC) an. Die preisgekrönten Künstler werden mit Mitgliedern der Jury der Jutta Cuny-Franz Stiftung über ihre Arbeit und (Glas-)Kunst im Allgemeinen sprechen, und die Teilnehmer werden die Möglichkeit haben, mit Kommentaren und Fragen beizutragen.

Mit dem Jutta Cuny-Franz-Gedächtnispreis 2021, dotiert mit 10.000 €, wird die US-Amerikanerin Anna Lehner ausgezeichnte.

Anna Lehner vor Anna Lehner | “Brittle Boundaries,” Wisconsin 2019, Glass, Microcomputers, Solenoid Valve, USGS Earthquake Notification System Foto: Jim Butch

Anna Lehner ist eine interdisziplinäre Künstlerin, die an den Überschneidungen von Kunst und struktureller Geologie arbeitet:

Als Künstlerin erforsche ich Aspekte der geologischen und menschlichen Zeitskala durch Installation, Live-Daten, Glas, geschriebenes Wort und Soundscape. Die zugrunde liegenden Belastungen innerhalb der tektonischen Platten der Erde formen ständig das Land, das wir bewohnen. Die Verwerfungslinien und Beben in unserer kontinentalen Oberfläche erzählen die Geschichte eines Fundaments, das sich in ständiger Bewegung und Unruhe befindet.

Ich bin daran interessiert, die Facetten der Brüche innerhalb der tektonischen Platten zu erforschen und wie sie mit der menschlichen Chronologie korrelieren. Die physische Erinnerung an vergangene seismische Ereignisse ist in die materielle Beschaffenheit unserer Kontinente eingebettet und diese Aufzeichnungen geben uns einen Einblick in die Vergangenheit. Diese Untersuchung steht in Verbindung mit den Themen und Materialien, die ich in meiner Praxis verwende. Ich arbeite mit Glas wegen seiner Fähigkeit, Qualitäten von Zerbrechlichkeit, Instabilität und Spannung zu verkörpern. Ich betrachte die Maßstabsverschiebung zwischen uns und dem Geologischen durch Skulptur und Installation. Meine Kunstwerke werden von diesen Bereichen des Unwissens und der Unruhe angetrieben, und von den Ereignissen, die jenseits des typischen menschlichen Zeitrahmens liegen.“

Im Jahr 2019 erhielt Anna Lehner einen MA/MFA in Glas an der University of Wisconsin-Madison und war Graduate Associate am Center for Culture, History and Environment innerhalb des Nelson Institute. Im Jahr 2016 erhielt er einen BFA in 3D Fine Art und einen BA in Kunstgeschichte von der University of Wisconsin-Stevens Point. Anna Lehner hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter einen Fulbright Graduate Research Award, und ihre Werk wurde in Fachpublikationen wie New Glass Review des Corning Museum of Glass gewürdigt.

2 Förderpreise, jeweils dotiert mit 1.500 €, wurden vergeben an:

Missing Space, 2019
Isaac Chong Wai
Aus Einschusslöchern in Berlin gegossenes Glas, GPS Glasätzung, Spiegel
Foto: CHROMA Istanbul/ Galerie Zilberman

… den Performance-Künstler Isaac Chong Wai aus Honkong. Er hat in Weimar studiert und lebt und arbeitet aktuell in Berlin. Gerade war er für einige Monate Stipendiat der deutschen Kulturakademie Tarabya in Istanbul. Seine Kunst versteht er als Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln.

 Isaac Chong Wais fragile, amorphe Glasskulpturen Missing Space (2019) – mit GPS-Nummern zum Auffinden der Standorte – sind Abgüsse von Einschusslöchern und holen eine verborgene Vergangenheit ins Jetzt. Sie erinnern an die Ideen von Zeitlichkeit, Zufälligkeit, Illusion von Instabilität, Gefahr und Anfälligkeit, aufgrund ihres Materials, aufgrund der Art, wie sie still, aber instabil sind.

Hikari Sasaki | „KitoKito“, 2018, mixed  media, Maße variabel, Foto: Hikari Sasaki

… die Japanerin Hikari Sasaki. Nach ihrem Studium an der Kyoto University of Art and Design im Jahr 2004 nahm Sasaki an eine Studienprogramm für Glaszertifizierung am Toyama City Institute of Glass Art (TIGA) teil. Anschließend setzte sie ihre Forschung im Advanced Research Studies Program des TIGA fort und kam 2017 als Austauschstudentin  an die Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam. In der Folge begann sie damit, komplexe Installationen aus Glas und anderen Materialien zum Thema Erinnerung und Erfahrung zu schaffen.

Hikari Sasaki ist eine Mixed-Media-Künstlerin, die mit Glas arbeitet und deren bevorzugte Themen um Kompositionen im Raum kreisen. Das Schlüsselwort ihrer Arbeiten ist „mein begangener Weg und visuelles Gedächtnis“. Sie sammelt Artefakte ihres eigenen Lebens als Motive ihrer Arbeit und forscht über die Gefühle der physischen und psychologischen Distanz zwischen den Objekten in einem Raum. Sie verwendet hauptsächlich Glas und daneben andere Materialien. Sie zeichnet auch eine Karte, um die Wege zu visualisieren, während sie die Artefakte als zweidimensionale Komposition sammelt.

Mit Ehrendiplomen wurden folgende Künstler bedacht:

Elmira Abolhassan,“ I heard you and I am“ Detail , 10/2019, gallery S12, Bergen

… die im Iran geborene Künstlerin Elmira Abolhassani. Sie hat ihren Lebensmittelpunkt aktuell in Portugal. Ihre Arbeiten und Gedanken entspringen ihrer Überzeugung, dass wir, um bedeutsame Aspekte unserer Welt sinnvoll erfassen zu können, zunächst eine klare Vorstellung von uns selbst erlangen müssen.
Deshalb versucht sie als bildende Künstlerin, die Glas als Hauptmaterial in ihren Arbeiten verwendet, sich selbst zu finden, während sie versucht, Glas zu meistern.

In ihrer Arbeit macht sie auf die über fünf Millionen afghanischen Flüchtlinge aufmerksam, die im Iran leben und hart für die Modernisierung des Landes gearbeitet haben. „In der realen Welt hatten diese Arbeiter keinen Anteil an der neu aufgebauten Gesellschaft. Sie waren unsichtbar.“ Die Transparenz von Glas wählt sie als Memento für die Übersehenen.

Juli Bolaños-Durman „Wild Flowers Collection“ in Zusammenarbeit mt Jorum Studio | Foto: Shannon Tofts. Edinburgh, 2019

…die costaricanische Künstlerin und Designerin Juli Bolaños-Durman lebt in Schottland und kommt aus dem  Grafikdesign, Mixed-Media. Ihr Werk wurde bereits mit so populären Preisen wie dem Jerwood Makers Open 2017, der ELLE DECORATION British Design Awards 2015 – Kategorie ECO DESIGN und mit dem „Exceptional Talent (Promise) Visa“ des Arts Council UK ausgezeichnet.  Sie entdeckte ausrangierte, ungewollte Glasprodukte als Medium für sich und dieses Engagement für Recycling und Nachhaltigkeit führt zu überraschenden neuen Objekten – „Jede Skulptur wird zu einem rebellischen Akt“  – gleichzeitig radikal und dekorativ, zur großen Begeisterung der Lifstyle-Magazine.

Erin Dickson „Lost in Translation“ Installation

 … die Künstlerin Erin Dickson – sie studierte an der Architectural Association in London. Gefördert vom Arts and Humanities Research Council schloss  sie 2015 ihre Doktorarbeit The Quirks of Intimate Space“ an der University of Sunderland ab, die die Grundlage zu ihren künstlerischen Konzepten bildet. Erin Dickson erforscht Ideen von Heimat durch Sprache, Kultur und landestypische Architektur und verbindet ihre vielfältigen Arbeiten durch augenzwinkernde Themen der „Britishness“, insbesondere in Bezug auf Nordostengland. Mit einer Vielzahl von digitalen und analogen Techniken reichen ihre Arbeiten von zeitbasierten Performances und fotografischen Glasreliefs bis hin zu monumentalen Skulpturen und Installationen.

Lost in Translation – Hier bat Erin Dickson einen Glasmacher aufzuschreiben, wie er ein bestimmtes Stück hergestellt hat; sie übersetzte den Text mit Google für den nächsten Künstler, der ebenfalls ein Stück herstellte und darüber schrieb…. Abgesehen vom Spaß an den Fehlübersetzungen und der daraus resultierenden Kreativität, regt das Projekt dazu an, über die Kulturen nachzudenken, die Glas auf der ganzen Welt umgeben.

Carmen Schaich,
„Kanonade“, Printmaking
drypoint engraving on handmade paper, 234 x 117 cm, 2019

… die Künstlerin Carmen Schaich, sie studierte an der Kunsthochschule in Mainz  und von 2017-2014 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf

Carmen Schaich druckt ihre Kunstwerke auf einer konventionellen Presse, die üblicherweise für den Druck von Radierungen verwendet wird. In ihrem Fall ist die Druckplatte nicht aus Metall, sondern aus gesprungenem Glas. Ihre „zeichnerische“ Technik zur Erzeugung dieser filigranen Risse und Silhouetten besteht darin, Glaskugeln mit einer Schleuder auf die Glasscheibe zu schießen.

Ayano Yoshizumi, Icon #1910, Adelaide, Australia 2019, glass blown/mold blown, enameled, cold painted, 30 × 100 × 30 cm, photo: Pippy Mount)

… die japanische Glaskünstlerin Ayano Yoshizumi  – sie machte 2014 ihren Bachelor of Fine Arts (BFA) an der Musashino University of Art und absolvierte sie eine zweijährige Ausbildung am Toyama Institute of Glass Art. Sie zog 2019 nach Australien, um am JamFactory Associate Trainingsprogramm teilzunehmen.

Ayano Yoshizumi ist fasziniert vom „negativen Raum“ (japanisch, „ma“) in geblasenen Glasobjekten. Glasblasen bedeutet für sie, das Werk von innen heraus zu formen. Der Aufbau von Innen- und Außenräumen mit geblasenem Glas und Malerei schafft einen konstruierten, transparenten Raum. Der japanische Begriff ma, der negative Raum, kennzeichnet die Ästhetik des Innen- und Außenraums eines jeden Objekts. Im Wesentlichen ist es ma, das die Tiefe und Komplexität des Objekts selbst erzeugt. 

Kontakt
Jutta Cuny-Franz Foundation
Kunstpalast
Ehrenhof 4–5
40479 Düsseldorf
Deutschland
cuny@kunstpalast.de

Aufgrund der Pandemie findet die diesjährige Preisverleihung online statt. Bitte gratulieren Sie  den Künstlern und melden Sie sich für das Zoom-Webinar-Meeting am Samstag, 1. Mai 2021 um 16 Uhr mitteleuropäischer Zeit (= 15 Uhr UTC) an. Die preisgekrönten Künstler werden mit Mitgliedern der Jury der Jutta Cuny-Franz Stiftung über ihre Arbeit und (Glas-)Kunst im Allgemeinen sprechen, und die Teilnehmer werden die Möglichkeit haben, mit Kommentaren und Fragen beizutragen.