Mit dem Westerwaldpreis werden herausragende keramische Arbeiten im Rahmen eines Wettbewerbs prämiert und einer Ausstellung präsentiert. Vorrangig geht es darum, den Dialog von Keramik und Kunst in der Region zu fördern.
Das große Interesse an dem Preis und die geopolitischen Entwicklungen der letzen Jahre veranlassten die Ausrichter des Westerwaldpreises 1999 dazu, die Ausschreibung nicht länger nur national, sondern europaweit zu veröffentlichen. Durch diese Entscheidung wird seitdem der kulturelle Austausch innerhalb Europas gezielt gefördert.

Mit 10.000 Euro als Ersten und 6.000 Euro als Zweiten Preis wird im Rahmen dieses Wettbewerbs einer der höchstdotierten und bedeutenden Preise für Keramik in Europa verliehen. Ein Förderpreis von 3.000 Euro unterstützt zudem noch studierende oder auszubildende Künstlerinnen und Künstler. Der Preis der Stadt Höhr-Grenzhausen für Salzgebrannte Keramik wird seit 1992 als Teil des Westerwaldpreises verliehen. Die Stadt erhöhte dieses Jahr das Preisgeld auf 10.000 Euro und unterstreicht damit ihr großes Interesse an einer zeitgenössischen künstlerischen Fortentwicklung der einzigen in Europa entwickelten Glasurtechnik. (Pressetext)
Im Katalog werden alle in der Ausstellung vertretenen Arbeiten in großfromatigen Abbildungen ptäsentiert.Die Werke der beiden Preisträger im Bereich freier Keramik, im Bereich Salzbrand-Keramik und der Förderpreis werden jeweils mit mehreren Abbildungen und einführendem Text vorgestellt. Letzterer macht die Argumentation der Jury sehr anschaulich und inspiriert das Verständnis des Lesers für die Arbeiten.

Nele van Wieringen, Leiterin des Keramikmuseums in Höhr-Grenzhausen und Ausrichterin dieses alle fünf Jahre ausgelobten Preises, schreibt im Jurybericht, „die Grenzen zwischen den Kategorien sind mittlerweile verschwommen. Damit spiegelt der Westerwaldpreis en miniature den Makrokosmos unserer sich rapide verändernden Welt, in der alle Systeme und Machtstrukturen erodieren….Die spürbare Instabilität in der Gesellschaft manifestiert sich ebeno in den Künsten und wird auch an vielen Objekten in dieser Ausstellung sichtbar. Hinzu kommt eine gewollte Formlosigkeit in den Arbeiten jüngerer Künstler…, die sich ebenso in den vielen Materialexperimenten manifestiert. … Der Künstler versteht sich als Alchemist.“
Zufallsergeben und prozessgesteuert scheint nicht nur ein Trend in der zeitgenössichen künstlerischen Keramik zu sein. Dieses Prinzipt offenbart sich auch in der alphabetischen Aneinanderreihung der Künstlernamen und ihrer abgebildeten Exponate, die durch den klassisch konzipierten Katalog führt. Ausstellungsfotos am Anfang und Ende des Kataloges zeugen davon, dass die Präsentation selbst durchaus von ästhetischen Prinzipien und räumlichen Beziehungen profitierte. Doch der gesamten Auswahl haftet das Momentum des Exemplarischen an, für diese und für jene oder auch ganz neue künstlerische Auseinandersetzung mit dem keramischen Werkstoff. Wobei selbst das verbindend „Keramische“, ganz offensichtlich zur Disposition steht…

Man hätte die Chance, und ich vermute auch das große Interesse gehabt, mit diesem Anlass einen grösseren Kreis von Menschen zu erreichen. Die Preisverleihung als gesellschaftliches Ereignis für die Region und Fachwelt, die Ausstellung ergänzt durch ein aufklärendes kulturpädagogisches Programm, haben diese Chance sicher nutzen können. Das Katalogbuch wirkt inhaltlich, trotz seiner edlen Aufmachung, mehr wie eine Pflichtübung. Er richtet sich an die Kenner der Materie, an jene die stolz darauf sein dürfen mit dabei zu sein, ihr bestehendes Publikum und eine schrumpfende Gruppe von Keramik-Sammlern. Versprochen wird „Ein breiter Überblick über wesentliche Entwicklungen der zeitgenössischen Keramik am Beispiel von herausragenden Werken etablierter und junger Künstlerinnen und Künstler aus ganz Europa.“ Dieses Versprechen wird aber nicht gehalten, denn dazu gehört heute mehr als eine allgemein gehaltener Einführungstext mit anschliessendem Bilderreigen heterogener Keramikkunst die mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Ganz offensichtlich sind alle hier versammelten Werke das Ergebnis ernsthafter künstlerischer Auseinandersetzung und konzeptionell hoch ambitionert. Doch ich erfahre nicht mehr als den Namen des Künstlers, Entstehungsdatum, Titel und Maße. Die allermeisten Objekte sind aber derart, dass man mehr wissen will um sie zu verstehen. Was war die Idee, die Inspiration, die treibende Kraft die schliesslich auch die Wahl der Mittel bestimmte? Welche keramische – meinetwegen auch alchemistische, bildhauerische, strukturelle, gestalterische Suche führte die/den Künstler*in zu dem präsentierten Ergebnis? Ein kurzes künstlerisches Statement, eine Erklärung, eine Verortung in den größeren Kontext des Kunstwerkes. Und so weiter…

Als ich vergangenen Sommer Nele van Wieringen und ihr schönes Museum besuchte, gab sie mir eine wunderbare Übersicht über die Geschichte des Museums und ihre Pläne als neue Direktorin. Sie merkte auch an, dass das Publikum überwiegend an der Geschichte hinter den Dingen interessiert sei, vor allem an der Sozial- und Entsehungsgeschichte. Die zeitgenössische, künstlerische Keramik stände für die meisten Besucher nicht so sehr im Fokus. Wohlmöglich weil sie hier – wie beispielsweise mit diesem Katalog – allein gelassen werden? Formell wird betont und geschrieben, dass der Keramikpreis – einer der höchst dotierten überhaupt! – den regionalen Dialog von Keramik und Kunst sowie den kulturellen Austausch in Europa fördern soll. Doch diesen Worten müssten tatsächlich inhaltliche Anleitung und Information folgen, wenn das ein glaubhaftes Ziel sein soll.
Es ist natürlich wunderbar, wenn die Dotierung des Preises erhöht wird um noch mehr Gewicht auf die ehrenwerten Absichten dieser Auszeichnung zu legen. Den Preisträgern sei das von ganzem Herzen gegönnt. Zu Gunsten der zeitgenössischen Keramik in ihrer Gesamtheit wirkt vermutlich nur ein echter, engagierter Wissenstransfer, Aufklärung über die gestalterischen und konzeptionellen Absichten der Aussteller mit ihren Exponaten (wie in den Artikeln zu den Preisträgern), die den Katalog zu einer wertvollen und echten Dokumentation wesentlicher Entwicklungen der zeitgenössischen Keramik machen würden. Vor allem wenn diese aktuell so disparat und instabil sind wie Nele van Wieringen es in ihrem Jurybericht beschreibt.
Diese Kritik mag als konstruktive Anregung fü das nächste Mal gelesen werden.
Fotos © Keramikmuseum Westerwald
Nele van Wieringen für den Westerwaldkreis (Hg.)
14. WESTERWALDPREIS 2019
Keramik Europas
arnoldsche art publishers
144 Seiten
21 x 28 cm, 87 Abb.
Deutsch / Englisch
ISBN 978-3-89790-578-8
€34,00 inkl. MwSt.