Made in Denmark – Formgestaltung seit 1900: Leipzig vom 02.06. bis 07.10.2018

Made in Denmark - von der Wolken-Bølle-Ornamentik des Thorvald Bindesbøll bis zu Poul Henningsen's Artichoke und darüber hinaus Foto: Schnuppe von Gwinner

Im GRASSI Museum für angewandte Kunst Leipzig sollte schon der Titel zur aktuellen Sommer-Ausstellung MADE IN DENMARK – Formgestaltung seit 1900“ aufmerksam gelesen und verstanden werden. In einem eindrucksvollen „tour d’horizon“ wird hier akribische Grundlagenforschung betrieben. Autonom aus den eigenen, inzwischen 950 Stücke umfassenden Sammlungsbeständen schöpfend, gelingt der Kuratorin Sabine Epple und ihrem Team mit dieser Schau ein überraschender Coup. Sie knüpft den sehr speziellen roten Faden der Leipziger Sammlungsgeschichte, den Eigensinn bedeutender privater Sammlungen und Schenkungen sowie sporadische und sinnvoll ergänzende Ankäufe zu einem chronologisch stringenten und ästhetisch sehr überzeugenden Ganzen.

Unsere Vorstellungen von dänischem Design werden von den Artefakten der Nachkriegsjahrzehnte dominiert, geprägt von Gestaltern wie Nanna Ditzel, Arne Jacobsen, Børge Mogensen, Verner Panton und vielen anderen. Doch in der Leipziger Schau geht es schön der Reihe nach, voller Überraschungen und Aha-Erlebnisse, dokumentiert in Möbeln, Keramik, Silberarbeiten, Glas und Spielzeug.

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Ensemble Thorvald Bindesbøll in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner
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Ensemble Johan Rohde in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner
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Durchblick Vitrinen Bing & Grøndahl und Royal Copenhagen etc. in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner

Empfangen wird der Besucher von der dänischen Designikone schlechthin, der Poul Henningsen Artichoke die seit 1957 unser Bild vom „made in Denmark“ bestimmt. Sie begrüßt den Besucher zu Beginn eines Parcours, der uns zuerst ganz zurück an die Wurzeln des dänischen Designs führt. Wir lernen den dänischen Jugendstil, „Skønvirke“ und seinen Pionier Thorvald Bindesbøll – Architekt und Universalkünstler – kennen. Sein dekorativer Wolken-Bølle-Ornamentik überzieht Möbel, Silbergerät und Keramik aus der Zeit um 1900 und beeinflusst damit auch seine Nachfolger. Ihm gegenüber gestellt wird sein ästhetischer Counterpart, Johan Rohde, ein nach der Einheit von Kunst und Handwerk strebender Reformer mit Vorliebe für eine klassische Formgebung. Anhand seines Werkes, hier vor allem Möbel und Silbergerät, erkennt man in ihm schnell den Wegbereiter der Moderne. Auch die eleganten Produkte der Porzellanmanufakturen Bing & Grøndahl und Royal Copenhagen, Eyecatcher internationaler Ausstellungen ihrer Zeit, weisen mit ihrer kühlen, nordischen Farbgebung schon in die Zukunft.

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Kaffee & Teeservice Carl M. Cohr 1925, Silber, Ebenholz Figuren aus dem Tafelaufsatz Weinlese, Kai Nielsen 912 in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner
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Möbelentwürfe Kaare Klint, 1932 & 1933 u.a. in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner

Die spannendsten Entdeckungen stammen aus den 20ger und 30ger Jahren, in Balance zwischen Art Déco und Funktionalismus, mit einer Bandbreite die man kaum für möglich gehalten hätte. Vielfältige, expressive Keramikfiguren und geometrische strenge Formen im Silber beschreiben dieses Spektrum. Die Möbel dieser Zeit werden durch die ganz modern anmutenden Sitzmöbel von Kaare Klint repräsentiert. Sie geben einen markanten Hinweis auf die Entwicklung der Nachkriegszeit, der 50ger und 60ger Jahre, in die Zeit in der „Made in Denmark“ als internationales Markenzeichen sehr erfolgreich den internationalen Markt eroberte.

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Blick in die Vitrine mit Entwürfen der 30ger Jahre, Holger Christensen, Arne Bang, Bode Willumsen, Hans Henrik Hansen u.a. in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner
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figurenentwürfe 1921 von Gerhard Henning & Olaf Christian Staehr-Nielsen, Porzellan, produziert von Bing & Grøndahl und Royal Copenhagen in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner

Die üppigen Sammlungsbestände des GRASSI MAK an Keramik erlauben, den intensiven Diskurs dänischer Keramik zwischen Serie und künstlerischem Unikat nachzuvollziehen. Bis in die 80ger Jahre hinein standen die Künstler in direktem, fruchtbaren Austausch mit den großen Manufakturen Bing & Grøndahl und Royal Copenhagen, arbeiteten in deren Studios, entwarfen Serien und eigene Unikate und legten damit das Fundament für eine bis heute sehr lebendige und emanzipierte Keramikszene in Dänemark.

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Pan mit Hirsch, Entwurf von Helge Chrisoffersen 1951, produziert von Royal Copenhagen in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner
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Blick durch die Vitrinen, vorne Gefässe von Bodil Manz 2016/17 in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner

Versorgt mit wertvollen Informationen und Eindrücken und mit neu geschärften Blick begegnet der Besucher schliesslich auch in dieser Ausstellung den geschätzten Designikonen der dänischen Postmoderne und Gegenwart. Nicht in Überfülle, aber in kluger Auswahl das Wesen des dänischen Designs illustrierend: diese ganz spezielle Mischung aus traditionellem Handwerk, Pragmatismus und der Vorliebe für natürliche Materialien und funktionale Gestaltungslinien. Eine Philosophie der Gestaltung von Alltagsgegenständen, die auch noch nach Jahrzehnten ihre Gültigkeit hat. Wie es dazu kommt lässt uns diese dichte, überraschende Schau auf angenehmste Weise nachvollziehen.

In einem separaten Ausstellungsteil „Simply Danish“ vermitteln rund 160 Silber-Schmuckstücke der Sammlung Marion und Jörg Schwand diese Zeit- und Entwicklungsreise des dänischen Designs gewissermaßen noch einmal im Zeitraffer.

© Schnuppe von Gwinner

Wer mag kann auch dazu auch meinem GRASSI-Blogbeitrag im Gespräch mit der Kuratorin Sabine Epple vom 08.03.2018 nachlesen.

Die Ausstellung wird durch ein attraktives Programm mit Führungen, Vorträgen, pädagogischen und kulinarischen Angeboten ergänzt, ganz aktuell HIER

GRASSI
Museum für Angewandte Kunst
Johannisplatz 5-11 |  04103 Leipzig

Öffnungszeiten: Di-So, Feiertage: 10-18 Uhr
Mo geschlossen
Freier Eintritt an jedem ersten Mittwoch im Monat

Faltblatt zur Ausstellung

Der informative Katalog zur Ausstellung

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Affen von Knud Kyhn und Jean René Gaugin, 1929/30 aus Steinzeug, produziert von Bing & Grøndahl und Royal Copenhagen in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner
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Das Maskottchen und Plakatmotiv der Schau, Affe von Kay Boyesen (1951) – ursprünglich als Verlängerung von Kleiderhaken für Kinder entwickelt – in der Ausstellung „MADE in DENMARK“ | Foto: Schnuppe von Gwinner