Vor einigen Jahren begegnete mir ein denkwürdiges Objekt: eine robuste Nagelbürste. Im wahrsten Sinne des Wortes. In Form einer herkömmlichen „Wurzelbürste“ mit der man den eingetrockneten Matsch von Gummistiefeln abbekommt. Unter einem pladdernden Wasserstrahl der auf den Dreck, die Stiefel und die Bürste knattert. Spritzt schrecklich! Oder mit der man auf den Knien rutschend Bodenfliesen abschrubbt. Mit Kernseife und Wasser. Zwischendurch wischt man sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Das geht mit der robusten Nagelbürste aus Eisennägeln, die sich Anne Fischer damals ausgedacht und hergestellt hat, natürlich nicht. Aber sie weckte in mir diese Assoziationen an Tätigkeiten, die es heute – in meinem Leben zumindest – nicht mehr gibt. Zeitgemässen Microfasertüchern und intelligenten Wischmops sei Dank? Aus denen wird jedoch gewiß nie die geniale, zündende Idee für einen aussergewöhnlichen Kerzenhalter – so wie sie die Bürste in Anne Fischer’s kreativem Kopf entfacht hat. Eisenschwer, spitzig und gefährlich: eine banale Haushaltskerze hineinrammen und anzünden: was für ein Ding! Kopfkino pur – ich bin noch heute ganz begeistert von diesem Objekt.
Ob dieses nun auch in der Ausstellung zu sehen sein wird, die Anne Fischer durch die Debüttantenstiftung des BBK Mittelfranken ermöglicht wird, weiß ich nicht. Die Ausstellung im Künstlerhaus in Nürnberg – und der Katalog – bieten einen Überblick über das bisherige Werk Anne Fischers: Material, Gefäß, Besteck und Leuchter … da könnte er dabei sein! „Anne Fischers Arbeiten haben längst die traditionellen Ebenen von Schmuck und Gerät verlassen und verhandeln mit eigenständigen künstlerischen Mitteln die Grenzen zur freien Gestaltung des Nützllchen. Immer wieder faszinierend und beeindruckend neu,“ begründet der BBK Mittelfranken sein Engagement.
Anne Fischer kann formvollendet Silber schmieden – doch sie kann sich auch Löffel aus Silber „schnitzen“ wie andere das aus einem Weidenzweig tun. Sie setzt das Material, meistens Metall, aber auch Acryl so ein, dass man als Betrachter ersteinmal stutzt und sich fragt, was das für ein Ding sei, das da vor einem steht oder liegt und eigentlich ganz familiär tut – so als Löffel, Gefäss oder auch – naja, bis man das dann heraus gefunden hat sind einem mindestens so viele Gedanken und Assoziationen durch den Kopf geschossen wie mir angesichts des Nagelbürstenleuchters.
Auf ihrer Homepage und demnächst im Katalog wird eine kunstwissenschaftlich perfekte Einführung in das Werk von Anne Fischer gegeben. Der Aufforderung zu folgen, für sich selbst das Rätsel der Dinge zu lösen halte ich jedoch für besonders reizvoll. Man kann dabei jede Menge Geschichten und Verknüpfungen entdecken, die irgendwo zwischen allgemeiner und individueller Erfahrung angesiedelt sind.
Anne Fischer: „Das Ding an sich“ Vernissage 29.07.2015, 20 Uhr
Ausstellung / Exhibition 30. Juli – 16. August
Künstlergespräch / Artist talk 16.08.2015, 16 Uhr
Künstlerhaus im KunstKulturOuartier
1.OG im Glashaus
Königstraße 93
90402 Nürnberg
Di, Do bis So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr, Mo geschlossen, Eintritt frei