„Form in Space“ – Martin McWilliam: Frechen vom 14.05. bis 27.8.2023

Martin MCWilliam Skuptur

Bekannt ist Martin McWilliam mit seinen, durch einen starken Wiedererkennungswert geprägten keramischen Gefäßen, die im Holzofen gebrannt, eher “vorgetäuscht” wirken. Das dreidimensionale Objekt wird ins Zweidimensionale übertragen. Aus Platten aufgebaute Gefäße werden zu scheibenartigen Objekten.

Martin McWilliam 1957 in Südafrika geborener Brite, lebt und arbeitet in der Nähe von Oldenburg. In seinen Lehr- und Wanderjahren in England, Japan, Schweiz und Deutschland prägt ihn die Studiokeramik mit ihrer japanischen Ästhetik und Töpfertradition.

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Martin McWilliam

Gefäß und Form
Zu dem keramischen Werk von Martin McWilliam

Ein Blick in die Kulturgeschichte belegt. Keramik zählt zu den frühesten kulturellen Äußerungen des Menschen und ist Gradmesser und Träger der Kulturstufen, wobei das Gefäß die eindeutige Hauptaufgabe gewesen ist. Die Hohlform zusammengelegter Hände in ihrer Funktion des Schöpfens und Trinkens war wohl das Vorbild für die ersten Tongefäße, die durch Drücken, Quetschen und Formen geschaffen wurden. In ihrer haptischen Qualität schmiegen sie sich der Handgrube an und lassen im Ertasten zugleich die symbolische Kraft des Gefäßes ahnen. Das Gefäß ist ein uraltes Sinnbild für das Empfangen, Aufnehmen und Bewahren.

Um das Gefäß kreist das keramische Werk von Martin McWilliam, das durch die Begegnung mit der Ästhetik der japanischen Teekeramik geprägt ist. Nicht das Perfekte, Symmetrische und Kalkulierte, sondern die Schönheit des Unvollkommenen, Asymmetrischen und Zufälligen sind Merkmale dieser Ästhetik, die auch die Gefäße von Martin McWilliam auszeichnen. Der Charakter des Organischen und Unregelmäßigen wird schon beim Drehen auf der Töpferscheibe erzielt, wenn die in den Ton eingelassenen chinesische Porzellanperlen beim Hochziehen der Gefäßwände Unwuchten erzeugen. In der Oberfläche setzen die eingeschlossenen Perlen reliefartige Akzente, deren ästhetischer Reiz durch das lebendige Farbenspiel der aufgetragenen Glasuren noch verstärkt wird. Diese malerische Wirkung ist das Ergebnis eines Brennverfahrens, das Martin McWilliam ebenfalls in Japan erkundet und erforscht hat. Durch den Holzfeuerbrand im selbstgebauten Drei-Kammer-Ofen entstehen durch Ascheflug und Glasurverläufe die unterschiedlichsten Farbnuancen, Verkrustungen, Feuerspuren und Schattierungen. In diesem Prozess spielt der Zufall eine tragende Rolle, die nur bedingt durch „Regieanweisungen“ des Künstlers gesteuert werden kann. Aber gerade das macht die Sache interessant und spannend. Immer wieder staunt Martin McWilliam über die Ergebnisse des Holzfeuerbrands, die häufig von seiner beabsichtigten Vorstellung der Endprodukte abweichen.

Eine Atmosphäre des Archaischen und Ursprünglichen prägt diese Werkgruppe der Teegefäße, in denen die vier Elemente im wahrsten Sinne des Wortes verdichtet sind. Die Erde, das Wasser, die Luft und das Feuer gelten seit der griechischen Antike als Urstoffe (arché) der Welt. Im Mittelalter hat Hildegard von Bingen in ihrem viergliedrigen Weltbild die Elemente in Analogie zu den vier Jahreszeiten, den vier Himmelsrichtungen und auch zu den Temperamenten des Menschen gesetzt. So wird die Luft dem Sanguiniker, das Feuer dem Choleriker, das Wasser dem Phlegmatiker sowie die Erde dem Melancholiker zugeordnet. Diese Zuordnung spiegelt einen engen Zusammenhang zwischen den Urstoffen der Welt und der Seele des Menschen. Aber das aus Ton geschaffene Gefäß ist auch Sinnbild für den menschlichen Körper, woran zahlreichen Gefäßfiguren erinnern. Und nicht zufällig spricht der Keramiker bei der Schaffung von Gefäßen von dem Fuß, dem Bauch, den Hals und auch der Lippe. Die Gefäße von Martin McWilliam haben also auf das Engste mit dem Menschen zu tun. Sie sind eine Auseinandersetzung mit den Urstoffen der Welt, würdigen das Gefäß als Bedeutungsträger und regen zu einer kontemplativen Betrachtung an. Hier bietet sich Vergleich zu der Idee des japanischen Gartens an, der nie Nutzgarten, sondern vor dem Hintergrund des Zen-Buddhismus immer als ein Ort der Meditation angelegt ist. Auch bei den Gefäßen von Martin McWilliam steht nicht ihre Gebrauchsfunktion im Vordergrund. Sie sind vielmehr Gegenstände des ästhetischen Erlebens, das zum Geschenk der Stille und Entschleunigung einladen kann.

Noch deutlicher vom praktischen Nutzwert entfernt erscheinen die Gefäßobjekte von Martin McWilliam. Sie künden von einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der Form und ihrer Oberfläche. Der Keramiker hat eine Formensprache entwickelt, in der das Gefäß in die Fläche „gebügelt“ ist und das vom Betrachter erwartete Volumen eines Hohlkörpers nur vorgetäuscht wird. Dieses originelle und innovative Spiel der optischen Täuschung, Verwirrung und Irritation wir noch fortgesetzt, wenn halbierte Gefäße als Torso auf einer Metallplatte stehen oder wenn Gefäßabbreviaturen in perspektivischer Verkürzung als sparsame Ritzzeichnungen auf einer Keramikplatte auftauchen. Der Reiz des Fragmentarischen ist ebenso zu betonen wie der Appell an die Phantasie des Betrachters, Fehlendes zu ergänzen. Auch werden durch die kunstvollen Täuschungseffekte unsere Sehgewohnheiten in Frage gestellt, womit an die Malerei des Kubismus erinnert werden kann. Denn wie in den kubistischen Gemälden werden auch in den Keramiken Formen gebrochen und verschiedene Blickwinkel ineinander verwoben. Das imaginäre Herumführen des Betrachters um das zerlegte Objekt ist das Anliegen dieser künstlerischen Position, womit das Spannungsfeld von Raum und Zeit thematisiert wird. Und noch eine weitere Bedeutungsebene dieser Gefäßobjekte muss betont werden: das Aufzeigen der Unzuverlässigkeit unsere sinnlichen Wahrnehmungen. Wiederum zeigt sich eine Parallele zum Zen-Buddhismus und seinem originären Misstrauen gegenüber den sichtbaren Dingen in ihrer Vergänglichkeit und Nichtigkeit.

Schon während seines Studiums der Keramik an der Bournemouth Art School (1976-78) wurde Martin McWilliams von der ostasiatischen Kultur und der japanischen Keramik inspiriert. So führten seine Lehr- und Wanderjahre nicht nur in verschiedene Werkstätten Englands, Deutschlands und der Schweiz, sondern auch nach Japan, wo eine intensive Begegnung mit der japanischen Keramiktradition stattfand. Dort hat Martin McWilliam die Materialien, Techniken und Brandverfahren erkundet, aber vor allem auch die mit dieser Tradition auf das Engste verbundene Spiritualität verinnerlicht. So erklärt sich die Authentizität seiner Keramiken, die in ihrer archaischen Würde und in ihrer Aura des Magischen und Geheimnisvollen verzaubern. In unserer immer mehr entzauberten Welt können wir für diese Anziehungskraft der Keramiken von Martin McWilliam dankbar sein. Und dankbar sind wir auch für den Beitrag des Keramikers für das kulturelle Klima im Oldenburger Land. Denn im Jahr 1983 hat Martin McWilliam sich mit seiner Familie und Werkstatt in Sandhatten niedergelassen.

Text: Martin Feltes

Keramion
Bonnstraße 12
50226 Frechen

Öffnungszeiten: Di.-Fr./So. 10 – 17 Uhr, Sa. 14 – 17 Uhr