Das Innehalten und die Stille sind seit langem DIE Lebensthemen des Keramikers, Künstlers und Autors Edmund de Waal. Also habe ich – nach dem Prinzip „was macht eigentlich?“ – mal nachgeschaut, ob es eine aktuelle künstlerische Stellungnahme von ihm gibt. Es könnte eindrucksvoller kaum sein:
Edmund de Waal zeigt in seiner aktuellen Ausstellung „tacet“ ein einzigartiges neues Werk, das während des sechsmonatigen Lockdowns entstanden ist. Als Titel wählte er das lateinische Wort ‚Tacet‘ , was soviel bedeutet wie ‚es schweigt‘. In der Musik zeigt es an, wenn eine Stimme oder ein Instrument pausiert. Edmundde Waal verwendet es nun, um die sechs Monate des Lockdowns zu umschreiben, die er schweigsam in seinem Atelier verbrachte, ohne Ablenkung zu arbeiten und zu denken.
Das Ergebnis sind Skulpturen, die zwei parallele Meditationen über Materialien, Zeit und Transformation anbieten. Die Bänke sind aus dem warmen, vielfarbigen Hornton-Stein gefertigt, der in Oxfordshire abgebaut wird. Auch der Bildhauer Henry Moore liebte diesen Kalkstein wegen seiner herbstlichen Braun-, Orangen- und Gelbtöne. Einzeln „Tacet I, II, III …“ genannt, laden diese Bänke zum Verweilen ein, weil sie dazu auffordern, still zu sitzen und durch Berührung erforscht zu werden.

Der Steinmetz Corin Johnson realisierte die Bänke nach von Edmund de Waal angefertigten Modellen aus Ton. Als individuell von Hand gemeisselte Objekte sind sie weit entfernt von Uniformität oder gar Symmetrie. Sanft gewellt, kaum wahrnehmbar, bieten sie unerwartete Texturen, eine Lippenkante und sanfte Unregelmäßigkeiten. Der Effekt ist der eines abgenutzten Steins, ihre scheinbare Schlichtheit ist ihr Triumph.
Die Skulpturen sind dagegen gesprächiger und tragen ihre Titel aus dem Langgedicht „The Tutelar of the Place“ des Dichters, Malers und Essayisten David Jones*, einem wichtigen, inspirierenden Einfluß für de Waal. Beide freistehenden Installationen – „counter“, „parti“, „pied“, „with what’s to hand“ – und an der Wand hängende durchsichtige Regale – „the tutelar of place, I, II, III“ – sammeln Porzellangefäße mit Gold, Glas und Alabaster. Jones‘ präziser und beschwörender Sprachgebrauch spiegelt sich in de Waals sorgfältiger, aufmerksamer Handhabung und Anordnung dieser Materialien wider und ermöglicht es ihnen, in der Stille zu sprechen.
Der Ausstellung ist ein Online-Katalog gewidmet der, über das Video-Interview mit Edmund de Waal hinaus die Themen seiner neuen werke erörtert. – * die Verlinkung zum Gedicht im Text führt auf ein Sprachdokument des Dichters beim Vortrag seines Gedichtes. (Schnuppe von Gwinner)
Roche Court
East Winterslow
Salisbury, Wiltshire
SP5 1BG
