Wo ist die Grenze zwischen Natur und Kultur? Bäume und Pflanzen werden sowieso wachsen und blühen, unsere Gefühle interessieren sie nicht. Nur unsere eigenen Ideen und Assoziationen bestimmen unsere Wertschätzung. Gewährt uns das ein Recht darauf, die Natur unseren Wünschen anzupassen, wenn wir das Bedürfnis dazu haben? In Bettina Speckners schönem Garten, hoch oben in den Bergen, geht sie mit gutem Beispiel voran: Sie beschäftigt sich nur mit Planen, Ordnen und Lenken. Das Ergebnis ist mehr als die bloße Summe seiner Teile.
Auf ihrer Werkbank verfolgt sie einen ähnlichen Ansatz. Speckners lebenslanges Interesse an Edelsteinen – es begann bereits in ihrer Kindheit – bildet noch heute den Ausgangspunkt für viele ihrer Schmuckstücke. Bei der Realisierung neuer Stücke spielen sie eine wichtige Rolle: Mit Liebe, Einsicht und viel Geduld lenkt die Künstlerin das Wachstum ihres Werkes. Wenn man Pflanzen in einen Garten setzt, kann man das Ergebnis nie vollständig vorhersagen, eine Situation, die einem kreativen Prozess sehr ähnlich ist. Wenn die erste Idee auftaucht – nennen Sie es Inspiration – ist es noch ein langer Weg bis zum fertigen Entwurf, sie ist nur der Ausgangspunkt einer intensiven Suche.

Bei konventionellem Schmuck liegt der Schwerpunkt auf reinen, perfekt geformten Edelsteinen. Doch Bettina Speckner interessiert sich mehr für Steine, die nicht ins Bild passen, mit Einschlüssen, ungewöhnlichen Farben oder abweichenden Formen. Steine sind, genau wie Pflanzen, das Ergebnis von Entwicklungen, die langsam und allen möglichen Zufällen unterworfen sind. Sobald man ihr Potenzial erkennt, besteht die Möglichkeit eines Austauschs, eines Dialogs zwischen Hersteller und Material. Dieses Verständnis führte zu dem prächtigen Ohrschmuck, der in der Ausstellung der Galerie Rob Koudijs gezeigt wird.

In den vergangenen Monaten unternahm Bettina Speckner einen ungewöhnlichen Schritt: Sie überschritt zielstrebig die Grenze zwischen Natur und Kultur. Sie beschloss, die Koralle für ihre neuesten Broschen selbst herzustellen. Sie formte sie aus einem Aluminiumblech, einem leichten Material, das sie bereits während ihrer Zeit an der Münchner Akademie erforscht hatte. Die Ergebnisse bilden eine perfekte – völlig überzeugende – Symbiose zwischen Formen aus dem Meer und einem Industrieprodukt. In den Schmuckstücken wird das Wasser von der Koralle liebevoll umarmt, während ihre roten Äste die anderen Blicke fast zu überwältigen scheinen. Es scheint, als wolle Speckner mit dieser Arbeit der Natur das Natürliche zurückgeben.
aus dem Englischen übersetzter Text: Ward Schrijver (© Galerie Rob Koudijs)
Galerie Rob Koudijs
Elandsgracht 12
1016 TV Amsterdam
The Netherlands
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag 11 – 16 Uhr
Die Galerie kann während Kunstmessen an anderen Orten geschlossen sein.
