Staatspreise „Gestaltung Kunst Handwerk Baden-Württemberg“: Karlsruhe vom 27.09. bis 25.10.2020

Der Wettbewerb um die Staatspreise Gestaltung Kunst Handwerk mit der Landesausstellung Kunsthandwerk findet alle zwei Jahre statt. Veranstalter sind das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, der Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg e. V. (BdK) und eine baden-württembergische Stadt. In diesem Jahr treten die Stadt Karlsruhe und das Regierungspräsidium Karlsruhe als Mitveranstalter auf. Wettbewerb und Landesausstellung stehen unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Die Nominierten für die Staatspreise „Gestaltung Kunst Handwerk Baden-Württemberg“ stehen fest. Die sieben nominierten Kunsthandwerkerinnen wurden von einer Fachjury aus einem Bewerberkreis von 110 Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerkern ausgewählt. 89 der eingereichten 254 Arbeiten werden im Rahmen der Landesausstellung Kunsthandwerk in Karlsruhe zu sehen sein. Die Preisverleihung findet pandemiebedingt in diesem Jahr im kleinen Kreis geladener Gäste statt.

Folgende Kunsthandwerkerinnen wurden in diesem Jahr für den Staatspreis nominiert – und die Begründungen liefere ich gleich mit, weil ich sie schreiben durfte:

die Keramikmeisterin Ute Kathrin Beck aus Stuttgart:

Souverän stehen uns als hohe Gefäßplastiken das Paar „König und Dame“ der Keramikerin Ute Kathrin Beck gegenüber. Ihr grandioses Assoziationspotenzial speist sich aus der spannenden Korrespondenz ihrer kraftvoll gewachsenen Formen und ihrer lebendigen Platinoberflächen. Die mit vielen Brüsten übersäte Königin scheint sich im matten Silberglanz des lebhaften Lichtspiels bossierter Strukturen zu bewegen, während der großzügig facettierte König glanzvoll Licht und Spiegelungen reflektierend durchwandert. Mit ihrer technisch anspruchsvollen Gaukelei konfrontiert uns die Künstlerin aus ihrer zeitgenössischen, kritisch-ironischen Perspektive mit einer barocken Opulenz, die auch Teil unserer Gegenwart ist.

Ute Kathrin Beck, Stuttgart | Deckelgefäße „KÖNIG und DAME“ aus der Reihe Glanz & Glimmer – Schamottiertes Steinzeug, Platin

das Duo Elena und Nicola Burggraf, beide Diplom-Designerinnen aus Bad Liebenzell:

In einer maximal minimalen Gestaltungshaltung kreierte das Duo Elena und Nicola Burggraf die Unterarmtasche „Reto“ aus portugiesischem Korkleder und überzeugte damit in der Königsdisziplin, der gelungenen puristischen Einfachheit. Mit dem ungewöhnlichen, doch attraktiven, veganen Material reagieren die Designerinnen auf den Bedarf der Zeit. Genial ergibt sich die Funktionalität aus plausiblen Details, die sich durch schlichtes Zurücknehmen hervortun. Gerade im Kontext mit dem Handwerk begrüßte die Jury diese Stimme.

Elena und Nicola Burggraf, Bad Liebenzell Unterarmtaschen (Cluch) „RETO“, Korkleder, hell und dunkel

die Keramikerin Gabi Ehrminger aus Radolfzell:

Mit ihren polierten, im Holzfeuer gebrannten Gefäßen ist Gabi Ehrminger seit vielen Jahren regelmäßig Ausstellerin im Wettbewerb – in diesem Jahr mit einer Dreiergruppe von Doppelwandgefäßen, die sich in ihrer Farbigkeit und Harmonie gegenseitig wunderbar bestärken und die auch haptisch eine Sensation sind. Gabi Ehrmingers Beständigkeit und Perfektion, ihr unbeirrbar subtiles Erkunden der technischen und ästhetischen Möglichkeiten sowie ihre lange und tiefe Erfahrung stehen für ein anspruchsvolles Verständnis von Handwerk und Gestaltung und damit für eine Qualität, die die Jury erkannt wissen möchte.

Gabi Ehrminger, Radolfzell | Doppelwandgefäße, Ton, Oberfläche poliert und im Holzfeuer gebrannt

Mirjam Hiller, Diplom-Designerin für Schmuck und Gerät aus Hechingen:

Als Verkörperung von Fantasie und Freude bestechen die Schmuckobjekte aus pulverbeschichtetem Edelstahl von Mirjam Hiller in ihrer völlig eigenständigen, markanten künstlerischen Sprache. Einem exakten Plan folgend entwickelt sie in einem aufwendigen Schaffensprozess komplexe räumliche Strukturen aus der Fläche. Sie haucht ihnen durch ebenso meditative wie riskante, Perfektion anstrebende Handarbeit, Lebendigkeit ein. Mit diesen phänomenalen, symbiotisch mit ihrem künstlerischen Ich verbundenen Arbeiten begeisterte Mirjam Hiller die Jury.

Mirjam Hiller, Hechingen | Brosche „stalecias“, Edelstahl, pulverbeschichtet, gesägt, geschmiedet und gebogen

Mi Sook Hwang, Keramikerin aus Münchweiler/Rodalb:

Die erstaunliche Perfektion der Gefäße von Mi Sook Hwang fasziniert und lässt uns rätseln: Holz, Lack, Keramik? Präzise graphische Muster aus eng gesetzten Linien überziehen einfache, zylindrische Keramikkörper ganz flächig, lösen sie visuell auf und provozieren optische Täuschungen. Die statischen Objekte scheinen durch ihre Oberflächen in Bewegung zu geraten. Die Jury zeigte sich von dem hohen Grad an effektvoller Präzision beeindruckt.

Mi Sook Hwang, Münchweiler/Rodalb | Dosen „Kontrast und Konzentration, Steinzeug, gedreht und bemalt

die Schmuckkünstlerin Katharina Moch aus Konstanz:

In die Sphäre zwischen Faszination und Abneigung lockt uns die Schmuckgestalterin Katharina Moch mit ihren Schmuckstücken. Sie triggert eine geradezu affekthafte Neugierde, ihre Objekte zu erkunden, provoziert mit verwegenen Materialkombinationen und besticht mit ihrer eigensinnigen Ästhetik. Als hochartifizielle zeitgenössische Anknüpfungen an die in den Wunder- und Schatzkammern früherer Jahrhunderte gesammelten Naturphänomene irritieren und polarisieren ihre grellen, außergewöhnlichen Gebilde und eröffnen mutig neue Bereiche der Schmuckkreation.

Katharina Moch, Konstanz | Kette, Kunstoff, eingefärbt, Bergkristall, Silber, PVC Cord

Im Rahmen der Preisverleihung am 27. September in Karlsruhe werden die drei StaatspreisträgerinnenMirjam Hiller, Elena und Nicola Burggraf und Gabi Ehrminger – verkündet. Es wird ihnen ein Preisgeld jeweils in Höhe von 4.000 € übergeben   Die Nominierung ist mit einem Betrag in Höhe von 500 € als Anerkennung verbunden.

Die Förderpreise für das junge Kunsthandwerk – der BdK-Initiative „Talente fördern“ und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg –  in Höhe von je 1.500 Euro erhalten

der Gitarrenbauer Jakob Frank aus Pforzheim:

Das Instrument„Canna Leaf“ des Gitarrenbauers Jakob Frank denkt das Konzept der Gitarre von Grund auf neu und führt zu einem einzigartigen Spiel- und Klangerlebnis, das gewohnte Hörerfahrungen ergänzt. Neue Materialien kommen zum Einsatz, wie z.B. der steinharte, aus Hanffasern und Wasser entwickelte Zellstoff Hempstone für den Korpus und gerösteter Vogelahorn für höhere Stabilität und Klangübertragung des Halses. Akustisch, technisch und optisch setzt Jakob Frank mit „Canna Leaf“ selbstbewusst und anspruchsvoll innovative Akzente im Instrumentenbau.

Jakob Frank, Pforzheim | Förderpreis Gitarre „Canna Leaf“ Korpus: Hempstone, Hals: gerösteter Vogelaugen-Ahorn

und die Schmuckgestalterin Felicia Mülbaier aus Mannheim:

Mit ihren erstaunlichen Schmuckstücken aus dem traditionellen Schmuckstein Lapislazuli entwickelt die Schmuckgestalterin Felicia Mülbaier die Traditionen von Idar-Oberstein geradezu in einem Quantensprung fort. Form wird hier komplett entmaterialisiert, das Material an die äußersten Grenzen des Machbaren geführt. Die kostbare Fragilität des Objektes bietet sich als poetische Metapher für unterschiedlichste Assoziationen an und manifestiert eine neue, inspirierende Position für den innovativen Umgang mit Mineralien und Edelsteinen in der zeitgenössischen Schmuckkunst.

Felicia Mülbaier, Mannheim| Förderpreis Broschen „Schild“ und „Tuch“, Lapislazuli und Gold, Anhänger „aus der Zeit gewebt“ Lapislazuli, Seide und Gold

Den Handwerkspreis der Handwerkskammer Karlsruhe in Höhe von 1.500 € erhält

der Schreinermeister Stefan Broszeit aus Gomaringen:

Der Umgang mit den erlesenen Holzschatullen von Stefan Broszeit löst eine Zeremonie höchster Wertschätzung aus. Ihre äußere Erscheinung feiert die Schönheit des Holzes, hier die gute Wahl von Nussbaum und Mooreiche, auch für die detailreichen Parketerie-Muster der Deckel. Für die geschwungen abschliessenden Deckelfronten der Haubendose die perfekte Wahl des Nussbaumsplintbereiches mit einem rauchigen Farbverlauf. Passgenaue Arbeit verwandelt die Handhabung und Entdeckung der Schachteln und ihres Innenlebens zu einem wahren Fest! Sie begeistern die Jury als wahre Paradestücke der Handwerkskunst.

Stefan Broszeit, Gomaringen | Handwerkspreis WÜRFELDOSE, Einheimischer Nussbaum, geräuchert und Mooreiche

Anlässlich der Landesausstellung 2020 wird die langjährige erste Vorsitzende des BdK, Heike Nonnenmacher, Nattheim, Keramik  mit dem Hanns-Model-Preis für ihre besonderen Verdienste um den BdK geehrt.

Heike Nonnenmacher | Porzellanobjekt

Die Landesausstellung Kunsthandwerk Baden-Württemberg bietet eine fantastische, professionelle Plattform – wenn diese von den Kreativen im Land auch als solche erkannt und genutzt wird. Die Substanz und Qualität der Exponate – der Ausstellung und ihrer Kommunikation – trägt entscheidend zur allgemeinen Aufmerksamkeit und Wertschätzung für den gesamten Bereich bei. Die Handwerkskünstler des Landes haben es in der Hand, durch die Qualität ihrer Bewerbungen das Niveau zu bestimmen und das Publikum, Sammler, Kunden und Connaisseure für sich zu gewinnen.

Die Landesausstellung Kunsthandwerk wird vom 28.09. bis 25.10.2020 im Regierungspräsidium Karlsruhe am Rondellplatz gezeigt. Es erscheint ein Katalog.

Regierungspräsidium Karlsruhe am Rondellplatz
Karl-Friedrich-Str. 17
76133 Karlsruhe

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr

Alle Fotos: Klaus Ditté fine photography, Salzweg

Gruppenfoto der Preisträger/-innen und Beteiligten: v.l.n.r.: Präsident Joachim Wohlfeil (Handwerkskammer Karlsruhe), Ute Kathrin Beck und Mi Sook Hwang (Nominierte), Dirk Allgaier (Mitglied der Jury), Katharina Moch (Nominierte), Elena und Nicola Burggraf (Staatspreis, vorne) Schnuppe von Gwinner (Mitglied der Jury), Mirjam Hiller (Staatspreis), Felicia Mülbaier (Förderpreis), Gabi Ehrminger (Staatspreis), Heide Nonnenmacher (Hanns-Model-Gedächtnispreis), Stefan Broszeit (Handwerkspreis), Renate Vest (Hanns-Model-Gedächtnisstiftung), Staatssekretärin Katrin Schütz (Wirtschaftsministerium BW), Jakob Frank (Förderpreis), Bürgermeister Dr. Albert Käuflein (Stadt Karlsruhe), Regierungsvizepräsidentin Gabriela Mühlstädt-Grimm (RP Karlsruhe).