Max Ernst (1891–1976) zählt zu den anregendsten und einflussreichsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Die Strahlkraft seines Œuvres reicht weit über seine Zeit hinaus. Ein Teil seiner biografischen Notizen ist fiktiv, und er hielt stets auch eine ironische Distanz zu seinen eigenen Werken und Techniken: In seinen Bildern finden sich sowohl erfundene Formen wie auch Figuratives, seine Kunst ist multimedial. Max Ernst war ein Grenzgänger und Meister des Zwischenreichs. Wie sein Leben ist auch sein Werk von Brüchen und Themenwechseln geprägt. Beides ist in der Gesamtheit Ausdruck seines visionär-skeptischen Weltentwurfs.

In der Sammlung Würth gehört Max Ernst zu den zentralen künstlerischen Positionen. Den Kern der Ernst‘schen Werke bildet eine einzigartige Kollektion von Büchern und Grafiken, in denen das an Vielfalt kaum zu übertreffende, scheinbar grenzenlose bildnerische Universum des Surrealisten von den Anfängen bis zu seinem fantastischen Spätwerk erlebbar wird. Eine Auswahl daraus bildet – neben einigen Plastiken – den Schwerpunkt der Ausstellung, die den Grafiken zudem Stücke aus der Sammlung des Schmuckmuseums zur Seite stellt und in Korrespondenz mit ihnen treten lässt. »Max Ernst nimmt die Dinge, wie sie erscheinen, ist in seiner Vorgehensweise sehr assoziativ und grenzenlos. Dies eröffnet viele Möglichkeiten für das Zusammenspiel seiner Arbeiten mit Schmuck«, erläutert die Leiterin des Schmuckmuseums und Kuratorin Cornelie Holzach.

Ein wesentliches Motiv der Arbeitsweise Max Ernsts ist es, sich von der »Herrschaft der Logik« (André Breton) zu befreien. Er begehrt gegen die bürgerliche Welt und ihre Zwänge auf – dies auch unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs – und stellt die Normalität in Frage. Er will dekonstruieren und demontieren, den Blick auf Übersehenes und Marginales lenken. Er ist unruhig und ständig auf der Suche nach Neuem. Er arbeitet mit Ironie und Illusion, um deutlich zu machen, dass letztlich immer nur Ausschnitte zu sehen sind und nie das Ganze. Grenzenlosigkeit oder die Überschreitung von Grenzen sind Prinzip, ob in Bezug auf Inhalte oder Arbeitsweisen. Schauriges und Wunderbares sind oft nah beieinander, und er irritiert mit Groteskem, Absurdem und Irrationalem. Eine Vorliebe gilt daher der Arbeit mit Collagen beziehungsweise ganzen Collagenromanen. Die arbeitet er so gekonnt aus, dass sie wie eigene Zeichnungen wirken, obwohl sie aus fremden Bildelementen arrangiert sind. Insbesondere der Vertuschung der Übergänge gilt dabei sein besonderes Augenmerk. So entsteht eine wiederum täuschende Einheitlichkeit, die dazu verleitet, auch von einer inhaltlichen Einheit auszugehen. Dies steigert der Surrealist dadurch, dass er vielfach Reproduktionen seiner Collagen anfertigt und den Eindruck entstehen lässt, es werde »die Wirklichkeit« wiedergegeben; auch dies ein Kontrapunkt zum Optimismus der Moderne und Kritik daran.
Mit seinen Grafiken illustriert Max Ernst Texte anderer Künstlerkollegen oder, ab 1919, eigenes literarisches Material. Auch hier ist Verwirrung Programm, denn ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Bild und Text besteht nicht. Somit ist der Betrachter letztlich auf sich selbst gestellt: Einerseits ist er mit Fremdem konfrontiert, für das es keinerlei Deutung gibt; andererseits kann er sich dem Dargestellten aus eben diesem Grund mit größter Freiheit nähern – und genau dazu möchte die Ausstellung im Schmuckmuseum einladen. (Pressetext)
Schmuckmuseum Reuchlinhaus Pforzheim
Jahnstraße 42
75173 Pforzheim
Öffnungszeiten: Di-So und feiertags: 10-17 Uhr
HIER gibt es einen schöne Film zur Einführung in die Ausstellung