Rosi Steinbach – Früher oder später: Leipzig vom 20. 06. bis 25. 07. 2020

Rosi Steinbach, Board mit Baumkuchen, Parfümflakon, Granate, Handgranate, Granatapfel, Ananas, 2020, Keramik, glasiert, z.T vergoldet, Holz, 40 x 120 x 20 cm

Die Keramikkünstlerin Rosi Steinbach stellt uns in einer Kabinett-Ausstellung der Josef Filipp Galerie  ihre aktuellsten Assoziationen und objektgewordenen Betrachtungen unterschiedlichster Phänomene vor. Real-irreal-surreal sind ihre narrativen Referenzen an Vergangenes, Verlorenes, Aktuelles – das sie hier selbst beschreibt:

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Rosi Steinbach, Cactus, 2020, Keramik, glasiert, 47 x 37 x 22 cm

„Meinen vertrockneten Kaktus („Cactus“) mit den vier Rippen habe ich geformt, ohne an eine bestimmte Art zu denken. Dann kamen mir Zweifel und ich suchte im Internet nach einem entsprechenden Kaktus mit vier Rippen. Die Suche war nur teilweise erfolgreich. Man kann von einem „Kaktus der vier Winde“ lesen, der vier Rippen hat, in Peru wächst und von Schamanen benutzt wurde. Er soll einen besonders hohen Mescalin-Gehalt haben. Möglicherweise ist er deshalb kaum noch aufzutreiben. Ein Foto konnte ich jedenfalls nicht finden.

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Rosi Steinbach, Seat, 2020, Keramik, glasiert, bemalt, Kissen: Textil mit Goldfäden, 60 x 48 x 48 cm

„Seat“ ist ein Keramikobjekt in Form eines Baumstumpfes, das weiß glasiert und in Art der Delfter Fayencen mit kobaltblauen Motiven bemalt ist. Es sind Motive, denen bekannte Bilder aus der Kunstgeschichte, aus Filmen oder Werbung zugrunde liegen, und die Kischees zum Thema Landschaftsidyll, Reisen und Entdeckung der Schönheit der Welt abbilden. Das Objekt wird von einem goldenen Kissen gekrönt.

Eine weitere Arbeit, „Board“, besteht aus einem Wandbord, auf dem sechs Keramikobjekte aufgereiht sind. Das Bord ist aus dem Stamm eines Bergahorns gesägt, der hier im Leipziger Auenwald gewachsen und in diesem Jahr wie viele seiner Artgenossen der Rußrindenkrankheit zum Opfer gefallen ist“. (Text: Rosi Steinbach)

Rosi Steinbach lebt und arbeitet in Leipzig, seit 1990 als freischaffende Keramikkünstlerin, seit 1996 mit diversen Ausstellungsbeteiligungen. Sie ist Preisträgerin der 18. Leipziger Jahresausstellung, die unter dem Titel „Format“ (mit der Beschränkung auf 50 x 50 cm) im Jahr 2011 in der Werkschauhalle 12 in der Leipziger Baumwollspinnerei stattfand. “ Die Jury überzeugte sie mit einem „spannenden Seitwärtsblick“ auch auf ihr Material, den Ton. Ihren drei gezeigten Keramik-Büsten wohnt vielleicht nicht unbedingt ein Geheimnis inne, die realistischen Gesichter haben aber etwas Glasiert-Spöttisches an sich, das einem nachzuschauen scheint,“ schreibt die LVZ damals.

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Rosi Steinbach, Tondi „komische Reihe“

Inzwischen sind ihre eigenwilligen Werke Teil vieler öffentlicher und privater Sammlungen.  In ihrer künstlerischen Arbeit nimmt Steinbach Bezug auf die Funktion und Tradition der Überlieferung in der Kunst. Große Bekanntheit haben hier etwa ihre Keramikbüsten, in deren erhebende Form zwischen Klassizismus und Pop sie das Abbild einer Vielzahl u.a. bekannter Künstlerpersönlichkeiten wie Neo Rauch, David Schnell, Jonathan Meese und weiteren verewigte.

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Rosi Steinbach, 2019, Blick /Supraporte, Keramik, glasiert, Gold und Platinüberzug, 52 x 32 x 3,5 cm

Durchaus überraschend und unterhaltsam zeigen sie eine zeitgenössische Sicht der Dinge ohne ihre Verwandtschaft und Inspiration durch die Techniken z.B. der famosen Teracotta-Werkstatt der Renaissance-Künstlerfamilie della Robbia vergessen zu lassen. Die Arbeiten von Rosi Steinbach charakterisiert ein  faszinierend-irritierender Balanceakt zwischen Tradition und Moderne, beide elementar und unabdingbar Teil ihres künstlerischen Ausdrucks, der ebenso realistisch beschreibend wie fantasievoll abstrahierend daher kommt, gleichzeitig pragmatisch dokumentierend und doch schöpferisch fabulierend. (Text © Schnuppe von Gwinner )

Josef Filipp Galerie
Spinnereistrasse 7, [PF 508]
04179 Leipzig

Öffnungszeiten: Mittwoch—Freitag von 13—18 Uhr Samstag von 11—18 Uhr

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