Seit 2016 unterzieht das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt seine Bestände einer gründlichen Prüfung auf unrechtmäßig angeeignete Objekte aus jüdischem Besitz zur Zeit des Nationalsozialismus. Im vergangenen Jahr wurde dabei eine überraschende Entdeckung gemacht, die das Museum zum Anlass für eine Kabinettschau nimmt: Geraubt. Gesammelt. Getäuscht. Die Sammlung Pinkus/Ehrlich und das Museum Angewandte Kunst erzählt exemplarisch die Geschichte der Silbersammlung des jüdischen Sammlers Joseph Pinkus (1829–1909) aus Neustadt in Oberschlesien (heute Prudnik, Polen). Im 19. Jahrhundert hatte er eine große Kollektion von Silberobjekten aus dem 17. und 18. Jahrhundert zusammengestellt, die seine Tochter erbte.
Hedwig Ehrlich (geb. Pinkus, 1864–1948) lebte seit 1899 in Frankfurt am Main, zusammen mit ihrem Mann, dem bedeutenden Mediziner und Forscher Prof. Dr. Paul Ehrlich (1854–1915). Als Hedwig Ehrlich 1939 in die Schweiz emigrieren musste, deponierte sie das Silber bei der Dresdner Bank in Frankfurt. Dort wurden die kunsthandwerklichen Gegenstände im Mai 1940 im Zuge der Zwangsabgabe von Edelmetallen für Juden beschlagnahmt, schließlich an die Städtische Darlehensanstalt überführt und „verwertet“: Ausgewählte Objekte aus dieser Sammlung kamen in den Besitz des Museum Angewandte Kunst (damals Museum für Kunsthandwerk). 1949 restituierte das Museum die Artefakte – bis auf zwölf Positionen, die laut Inventarbuch im Krieg verbrannt waren.

Im Zuge der Provenienzforschung am Museum Angewandte Kunst wurden diese angeblich verbrannten Kunstgegenstände 2017 im Bestand identifiziert. Wie man heute weiß, hat das Museum die Provenienz der Objekte nach dem Krieg bewusst manipuliert, um ihnen eine unbedenkliche Herkunft zu verschaffen. In der Ausstellung werden diese wertvollen Silberkannen, -schalen und Bestecke präsentiert, ergänzt um weitere zehn Objekte, die das Museum den Erben von Hedwig Ehrlich 1982 rechtmäßig abkaufte. Die Schau dokumentiert den NS-verfolgungsbedingten Verlust der Sammlung, die Umstände der Erwerbung für das Museum und den Verbleib der Silberobjekte bis heute. Zudem veranschaulicht sie beispielhaft die Provenienzforschung am Museum und unterstreicht die Bedeutung einer in die Zukunft reichenden Erinnerungskultur.
Zur Ausstellungseröffnung liest die Schauspielerin Stella Hilb aus Briefen Hedwig Ehrlichs, die diese 1939 aus dem Genfer Exil an ihren Vertrauten Hugo Hieronymus Haas in London schrieb und um Rat hinsichtlich des Verlusts ihrer Silbersammlung bat. Die gebürtige Frankfurterin Stella Hilb spielte die Rolle der Hedwig Ehrlich in der sechsteiligen Fernsehserie „Charité“, die das Erste 2017 ausstrahlte. (PRESSETEXT)
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt
Öffnungszeiten: Mo geschlossen | Di, Do-So 10-18 Uhr |Mi 10-20 Uhr