Ein Buch über das Werk des österreichischen Keramikers Thomas Bohle – großformatig und schwergewichtig ist dieser Einblick in 25 Jahre Gestaltung keramischer Objekte. Wohltuend konzentriert und sachlich die graphischen Gestaltung, dem Thema angemessen durch Clemens Theobert Schedler konzipiert und redaktionell betreut.
Den Auftakt macht ein zauberhaftes, chinesischen Gedicht von Wang Chaoying, eigens von diesem als Geschenk für Thomas Bohle geschrieben, das endet mit „Wozu brauchen wir Worte?“
Die Worte der Autoren Rudolf Sagmeister und Frank Nievergelt helfen uns, den Betrachtern und Lesern, den kundigen Sammlern und Entdeckern, den Wissenden und den Ahnungslosen, den Fachleuten und den Laien, die Vielfalt der Aspekte und Facetten des keramischen Werkes von Thomas Bohle zu erkennen und zu reflektieren. Wohlgesetzt und klug vermitteln ihre Worte das, worauf es ankommt und oft habe ich persönlich mich beim lesen richtig gefreut: so bedacht und präzise wurde formuliert, beschrieben, gedeutet – das Lesen dieser Texte ein wahrer Genuss! Einher gehend mit der staunenden Erkenntnis wie essenziell die Beherrschung der Materie, das alchimistische Wissen und Talent, die reine Körperkraft – Wagemut und Erfahrung für die Entstehung dieser Werke sind.
Natürlich ahnt und spürt man all das wenn man de facto vor den Gefässen von Thomas Bohle steht: Präzise und ausgewogen in der Form, ohne Dramatik – die ist Part der faszinierenden Glasuren, die sinnlich über Wölbungen und scharfe Kanten schmelzen, in sich selbst von kristallener Tiefe und Farbigkeit durchdrungen. Das Drama der Glasur steigert die formale Ruhe. Die Klarheit der Form bietet dem sinnlichem Schmelz die ideale Bühne.
Ein ausführliches Interview des Künstlers mit Hans-Joachim Gögl „Wie das Schweigsam werden in Kathedralen oder Schluchten“ betitelt, gibt einen interessanten Einblick in das Leben und Werden von Thomas Bohle. Entgegen dem theatralischen Titel stellt dieser sich so sympathisch bescheiden, gleichzeitig demütig und leidenschaftlich dar. Überrascht vom Leben, regional verwurzelt und geprägt, der Entwicklung des professionellen Keramikers erst zögerlich und dann kompromisslos folgend. Und immer betonend, dass er selbst sich als dieser Ausnahmekünstler nur in einem Netzwerk gleichgesinnter Experten und Enthusiasten zu eben diesem entwickeln konnte.
Heute sehen wir ihn mit den Verlockungen der gestalterischen und technischen Herausforderungen schierer Größe konfrontiert. Im tiefen Wunsch an die Grenzen zu kommen und diese zu überwinden: in einer Vollendung und Gelassenheit, die die unfassbare Anstrengung des Technikers, des Gestalters, des Keramikers und Künstlers hinter dem faszinierenden Meisterwerk unsichtbar werden lässt. Wie Thomas Bohle diese Ambitionen und Überlegungen begründet und wie es ihm schliesslich so eindrucksvoll gelingt seine Ziele zu erreichen, wird in diesem äusserst lesenswerten Buch beschrieben.
So ein prächtiger Kunstband lebt natürlich auch von den Abbildungen, die in diesem Fall das dreidimensional-skulptural Charismatische der Keramikgefässe vermitteln sollten. Über weite Strecken gelingt das den Stills des Frigesch Lampelmayer auch hervorragend: mit perfekt beleuchteten, sachlichen Objektfotos, die das Maximum an Aussagekraft herüber bringen. Zwei Gruppenfotos zu Beginn des Buches machen Herzklopfen! Das lebendige Miteinander der Formen, das z.B. der großartige Edmund de Waal in seinen Kompositionen und Assemblagen von Keramikgefässen so virtuos einsetzt, kann auch durch die Gefässe von Thomas Bohle atemberaubend ästhetisch inszeniert werden!
Eingestreute Details lösen die Attraktion der Glasuren, ihrer Farbigkeit und Tiefe, vom Objekt und entfalten eine ganz eigene Ästhetik. In bester Absicht wurden viele Objekte auf eine zweiseitige Fläche gestellt, vom Falz des Buchblocks zerschnitten, die Form nicht mehr wahrnehmbar – hätte man sich diese Großzügigkeit im Umgang mit dem Platz verkniffen wäre der Band um einiges schmaler geworden aber die immer wieder kehrenden Enttäuschungen über „zerstörte“ Objekte wären ausgeblieben.
Mit Unterstützung des Veterinärmediziners Markus Greißing entstanden 16 Röntgen-Aufnahmen in s/w, die Thomas Bohle selbst ganz besonders faszinieren. Sie geben Geheimnisse preis, um die er selbst weiß, die der Betrachter aber nur erahnen oder erspüren kann. Unter technische Gesichtspunkten sind sie hochinteressant. Schliesslich schildern uns herrliche schwarz-weiß Studien von Lucas Breuer das Leben im Atelier, den Künstler, sein Werk, seine Umgebung – menschlich, entspannt und heiter.
Diesem Buch merkt man die Freude an seiner Entstehung an. Die intensive Auseinandersetzung, die Gespräche und das Ringen um Gestalt und Inhalte. Es spricht für sich – zauberhaft – wie das Werk des Keramikkünstlers Thomas Bohle selbst! Möge er den Durchmesser von 110 cm noch schaffen!
© Schnuppe von Gwinner
Frank Nievergelt/Rudolf Sagmeister: THOMAS BOHLE. Mit einem Künstler-Interview mit Hans-Joachim Gögl. ARNOLDSCHE Art Publishers, Stuttgart 2015; 240 Seiten, 24 x 32 cm, 80 Abbildungen in Farbe und 52 in Schwarz-Weiß, 16 Röntgen-Aufnahmen in Schwarz-Weiß. Hardcover. Deutsch u. Englisch. ISBN: 978-3-89790-431-6; 49,80 €
Vom 28. Juni bis 26. Juli 2015 stellt die Galerie Heller in Heidelberg das Werk Thomas Bohles aus: http://www.galerie-heller.de