Der Künstler Laurenz Stockner wurde anlässlich des Gedenkjahres 500 Jahre Tiroler Bauernaufstände ins Schloss Tirol eingeladen neue, aus Kupfer und Stahl geformte Gefäße, zu zeigen. HYLE stammt aus dem Griechischen und bezeichnet zunächst das Holz an sich, meint aber in seiner philosophischen Ausweitung das Stoffliche, die Materialität. Aus der Betrachtung der Materialität schafft der künstlerische Zugang neue Interpretationsebenen, zumal der Gebrauchscharakter nicht im Vordergrund steht. Behältnisse gehören zur Grundausrüstung bäuerlicher Kulturen. Ihre archaische, überzeitliche Form verbindet sich mit der langen Tradition der Bebauung des Bodens.
Der ausgebildete Schlosser, Gold- und Kunstschmied Laurenz Stockner hat eine besondere Nähe zum Material Kupfer entwickelt, dessen Grundmaterial aus dem Prettauer Bergwerk stammt. Die ästhetisierte Form der künstlerisch geformten Gefäße schließt an eine jahrhunderte- wenn nicht jahrtausendalte Tradition an. Er schreibt selbst:

Stahlrohr gestaucht, gedreht, Boden eingeschrumpft
Ø 190mm; Ø 160mm
Fotograf: Jürgen Eheim
„In einer neuen Serie von Gefäßen, verwende ich Stahlrohre mit unterschiedlichen Durchmessern und Wandstärken als Ausgangsmaterial. Die Verwendung von Halbzeugen und das Zusammenspiel von Schmiedehandwerk und präziser Dreh- und Fräsarbeit, bilden die gestalterische Idee dieser Arbeiten.
Ausgewählte Stahlrohre werden im Schmiedefeuer erhitzt und kontrolliert gestaucht. Durch das Ausbuchten der Rohrwandung wird der formale Charakter der Gefäßkorpusse bestimmt. Gefäßboden, Deckel und Griffleisten sind auf Dreh- und Fräsmaschine gefertigt und anschließend mit dem Korpus bzw. dem Deckel mittels Einschrumpfens verbunden. Das Auf- bzw. Einschrumpfen ist eine altbewährte Technik zum kraftschlüssigen Verbinden zweier Teile, dem das Prinzip der Wärmeausdehnung zugrunde liegt. Auch heute noch wird diese Technik im Maschinenbau vielfach genutzt, um Bauteile aus Metallen miteinander zu verbinden.

Stahlrohr gestaucht, gedreht, gefräst
Boden und Griff eingeschrumpft
Ø 250 Fotograf: Jürgen Eheim
Kraftvolle Formgebung gepaart mit präziser Maß-Genauigkeit fügen sich als verbindende Elemente in diesen Arbeiten zusammen. Die roh belassene Metalloberfläche zeugt vom Entstehungsprozess und verdeutlicht den Charakter dieser Gefäße.“
Im Katalog zur Ausstellung, der eine wunderbare Einführung in das Werk von Laurenz Stockner bietet, kommt seine Laudatorin Karin Dalla Torre zu folgendem Schluss:
„Die faszinierendsten Kinder dieser kompromisslosen Suche Laurenz Stockners sind die massiven, zylindrischen Gefäße aus Stahl, deren Form im Feuer teilweise sichtbar wieder aufgelöst wird, bis das Metall wieder ins Fließen kommt. So lange, bis Hephaistos der Metamorphose Einhalt gebietet und sie im Fließen zu einer archaischen, amorphen Form erstarren lässt. Manche dieser Gefäße sind so schwer, dass sie nur mit Kraft verrückt werden können.
Dieser Prozess erzählt weit mehr als das Werden eines kunstvollen stählernen Objektes. Er umschließt als Metapher das Große, die Entstehung der Erde, die glühenden, trägen Lavaströme und die Energie des flüssigen Metalls, das neue Formen sucht. Er führt uns zurück in die Erdgeschichte, auch zum Supervulkan unserer Region, der nach einem der größten Vulkanausbrüche der Erdgeschichte bis heute unsere Landschaft und unser Klima prägt. Hier liegen auch die Ursprünge unserer Bergbaugeschichte.
Diese Ausstellung auf Schloss Tirol schenkt uns die Möglichkeit, das Wesen der neuen Objekte zu erkunden. An diesem Ort begegnen sie im übertragenen Sinn auch der kostbaren silberne Pyxis, deren gedeckeltes und feuervergoldetes Oval als Reliquienschrein in der Apsis der frühchristlichen und frühmittelalterlichen Kirche am Hang gefunden wurde. Die Schalen und Gefäße von Laurenz Stockner bewahren wie die Pyxis ihr Geheimnis und beflügeln die Vorstellung von einer Kraft jenseits der Dinge und von der faszinierenden Poetik des Feuers.“
Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte
Schloss Tirol
Schlossweg 24 – I-39019 Tirol (BZ)
Öffnungszeiten: täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr
