Planted – Tanja Kirst: Kopenhagen (DK) bis 29.01.2023

Tanja Kirst, Ausstellung Officinet, Kopenhagen | Foto: Nanna Navntoft

Die Ausstellung „Planted“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Nachhaltigkeit der Zukunft und der große grüne Wandel nicht bedeuten, dass wir auf Ästhetik verzichten und neopuritanisch leben müssen. Durch Tanja Kirsts Installation von gewebten Teppichen in Officinet wandernd, entdeckt man sie wirklich. Es gibt ein besonderes Wechselspiel zwischen den Vorder- und Rückseiten der relativ kleinen Teppiche, das man nur entdecken kann, wenn man sich im Raum bewegt – vielleicht sogar eine Zeit lang auf dem Boden sitzt oder liegt. Dann kommt der kaleidoskopische Effekt zum Vorschein, das ganze poetische Aufeinandertreffen von Farbfeldern und Oberflächen, die die Gesamtkomposition des Raums neu definieren und verändern, wenn man selbst die Position wechselt.

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Tanja Kirst: Teppich aus Zitronen- und Orangenschalen, mit Hanf verwebt | Foto: Nanna Navntoft

Licht ist ein wichtiger Akteur in der Installation. Die hängenden Bildteppiche werfen Schatten auf den Boden, die sich im Laufe des Tages bewegen und auf diese Weise eine eigene Sonnenuhr bilden. Tanja Kirst ist von dem Spiel des Konstruktivismus mit der Geometrie in ihren Teppichen inspiriert, und lustigerweise bildet das Schattenbild sehr ähnliche elegante Formen, eine Art von Lichtkonstruktivismus. Wir sind gewohnt, sowohl Bilder als auch Stoffe als zweidimensionale Flächen zu betrachten, aber Tanja Kirst hängt ihre Bildteppiche nicht an die Wand, sondern lässt sie den Raum einnehmen.

Die Dimensionen dieser kleinen Ausstellung sind vielfältig. Wie der Titel „Planted“ schon andeutet, pflegt Tanja Kirst eine intensive Beziehung zum Reich der Pflanzen und zu den vielen neuen Möglichkeiten, die sich in den vergangenen Jahren für die Herstellung von Textilien auf Pflanzenbasis entwickelten.

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Tanja Kirst: Detail

Ihr Abschlussprojekt an der School of Design im Jahr 2018 befasste sich mit neuen kreativen Verwendungsmöglichkeiten von Hanf, aber inzwischen hat sie das Sortiment um Fasern auf der Basis von Zitrusfrüchten, Seetang und Ananas erweitert. Fäden, die aus weggeworfenen Zitronen- und Orangenschalen hergestellt werden – unter Anwendung der gleichen Technik wie Viskose auf der Basis von Zellstoff – sind glänzend und leicht, und wenn sie mit Hanf gewebt werden, verleihen sie dem normalerweise stumpfen Hanf ein völlig neues Aussehen. Sowohl in den einzelnen Teppichen als auch in der Gesamtkomposition nutzt Kirst das Spiel zwischen rauen und glatten Oberflächen, die das Licht entweder absorbieren oder reflektieren.

Und dann ist da noch das Weben selbst, das im TextielLab in Tilburg, Niederlande, durchgeführt wird. Die Jacquardbindung ermöglicht es, die Teppiche doppelseitig zu weben, und dazu kommt noch die Technik, das Gewebe mit schwarzen und weißen Kettfäden zu spannen, so dass Tanja Kirst einen Effekt erzielen kann, indem sie entweder schwarz oder weiß einwebt. Dadurch erhalten die bereits doppelt gewebten Teppiche ein Spiel zwischen positiven und negativen Feldern, da die Farben auf Schwarz und Weiß so unterschiedlich erscheinen.

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Tanja Kirst: Ein gewebter Überblick über die Farbpalette von Tanja Kirst – Citrus, Tang, Algen und Hanf | Foto: Nanna Navntoft

An einer Wand des Raumes hängt eine gewebte Übersicht über die Farbpalette von Tanja Kirst, die an das Periodensystem der Weberei erinnert. Es ist ein gutes Beispiel für das Zusammentreffen von systematischer Erkundung und kreativer Inszenierung in Kirsts Universum. Die grundlegende Arbeit besteht darin, die ästhetischen Möglichkeiten neuer Fasertypen zu testen und zu entwickeln, aber die Ästhetik hat ihre eigene Urkraft, die sie aus dem Labor heraus und in visionäre Universen führt.

Es bleibt zu hoffen, dass klimabewusste Institutionen sie beauftragen, noch größere Teppiche aus diesen neuen Textilien herzustellen – vielleicht als Raumteiler, um große, kühle öffentliche Räume zu beruhigen? Oder vielleicht für spannende Bühnenbilder? „Planted“ ist ein großartiges Beispiel dafür, dass die Zukunft der Nachhaltigkeit und der große grüne Wandel nicht bedeuten, dass wir auf Ästhetik verzichten und neo-puritanisch leben müssen. Im Gegenteil, wir brauchen mehr Ästhetik und Poesie in der materiellen Welt, geschaffen aus Materialien, die den Planeten nicht verschmutzen. (Text übersetzt aus dem Dänischen: Heidi Laura)

Officinet
Danske Kunsthåndværkere & Designere
Bredgade 66
1260 København K.

Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag 12-16 Uhr | Donnerstag 12-17 Uhr

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Tanja Kirst

Tanja Kirst hat einen Master-Abschluss in Textildesign von der Royal Danish Academy of Fine Arts und einen Bachelor-Abschluss in Fine Arts – Painting and Printmaking von der Glasgow School of Art in Schottland. Ihre Abschlussarbeit an der Königlich Dänischen Akademie der Schönen Künste erhielt den Jubiläumsfonds der Dänischen Nationalbank von 1968. Anschließend erhielt sie die Auszeichnung „Talent des Jahres“ bei den Design Awards 2018 und die Nominierungen „Young Talent“ bei den Danish Design Awards 2019 und „Artisan of the Year“ bei den Design Awards 2020. sie arbeitet und bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Forschung, Produktentwicklung und künstlerischer Arbeit.