Staatspreis für das Kunsthandwerk Rheinland-Pfalz 2022: Ludwigshafen vom 29.04. bis 12.06.2022

Philipp Gröninger

Zur Verleihung des Staatspreises und des Förderpreises für das Kunsthandwerk Rheinland-Pfalz wurde 2022 zum 21. Mal ein Wettbewerb durchgeführt, den die Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in Rheinland-Pfalz und das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz auslobten. Mit dem Wettbewerb ist die Vergabe des Preises des Handwerks Rheinland-Pfalz verbunden. Die Förderpreise werden bereits seit 1960 und der Preis des Handwerks seit 1998 überreicht.

Das Ergebnis des diesjährigen Wettbewerbs steht fest. Insgesamt sieben Preisträgerinnen und Preisträgern ist es gelungen, in einem zweistufigen anonymisierten Verfahren die fünfköpfige Jury, berufen vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz, von der herausragenden Qualität ihrer Arbeiten zu überzeugen. Innovative Techniken, brillanter Umgang mit Material, außergewöhnliche Gestaltung und perfekte handwerkliche Ausführung begründen den Wettbewerbserfolg.

In dem Wettbewerb werden alle drei Jahre zukunftsweisende Ideen und überdurchschnittliche Arbeiten prämiert. Es wurden 77 Bewerbungen aus den Bereichen Schmuck, Holzbearbeitung, Textil, Keramik, Musikinstrumentenbau, Papier, Steinbearbeitung, Metallgestaltung, Flechtwerkgestaltung, Fotografie und Edelsteinbearbeitung eingereicht.

Mit dem Staatspreis für das Kunsthandwerk ist eine Geldzuwendung des Landes Rheinland-Pfalz von insgesamt 15.000 Euro verbunden. In diesem Jahr wurden drei Staatspreise vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz vergeben, dotiert mit jeweils 5.000 Euro.

RP2022_Jiun-You Ou
Jiun-You Ou

Einen Staatspreis in Höhe von 5.000,00 € hat Jiun-You Ou, Master of Fine Arts in Gemstone and Jewellery (MFA), Idar-Oberstein, für ihre Objekte aus Tintenstein entgegengenommen. Die international tätige Schmuckdesignerin betreibt ein Atelier in Idar-Oberstein.

Statement von Stefanie Wiebelhaus für Jlun-You Ou, Staatspreis 2022
Objekte mit Erinnerungswert der Kindheit finden in dem Projekt „yàn“ von Ou Jiun-You eine ganz neue, faszinierende und außerordentlich ausdrucksstarke Inszenierung. Die fünf präzise gearbeiteten Objekte aus Tuschestein mit silbernem Verschluss überzeugen durch eine klare, schnörkellose Formensprache.
Zunächst wirken die Schmuckstücke fast wie filigrane Werkzeuge oder jedes Objekt selbst wie die Darstellung unterschiedlicher Kalligrafiezeichen. Doch bei näherer Betrachtung entdeckt man die spannende, dekonstruierte Funktionalität, die die Objekte, sowohl im Zusammenspiel, als auch einzeln, zu Kunstobjekten erhebt.
Die Entfremdung des Materials und die Verbindung aus Tradition, kraftvoller Gestaltung und hervorragender handwerklicher Verarbeitung, haben die Jury gesamtheitlich überzeugt.

RP_2022_Julia Saffer
Julia Saffer

Einen Staatspreis in Höhe von 5.000,00 € erhielt die Staatlich geprüfte Keramikgestalterin 
Julia Saffer für ihre Objekte aus Steinzeugton. Sie lebt und arbeitet seit 2016 als selbstständige Keramikerin in Höhr-Grenzhausen.

Statement von Prof. Dr. Michel Müller für Julia Saffer, Staatspreis 2022
Die keramischen Arbeiten von Julia Saffer wirken auf einer Vielzahl von Ebenen. Die auf den ersten Blick organisch wirkenden Formen stehen in Opposition zu der textilen und künstlich anmutenden Oberfläche. Die strukturierten aneinandergereihten Spiralformen laden zur haptischen Erfahrung ein und suggerieren durch ihre Aneinanderreihung Bewegung. Das Auge kann nicht anders als dem dadurch entstandenen Fluss folgen. Die kleinteilige Struktur steht in einem Spannungsfeld zur Größe und Statik der gesamten Objekte.
Diese visuell fesselnden Arbeiten funktionieren sowohl als einzelne Objekte als auch in der Gruppe. Die Verwendung der leuchtenden Farben und der Lüsterglasur verleiht den Objekten etwas Frisches. Sie erscheinen wie das Pendant zu Patina und lassen an die Entstehung von Neuem und Innovativen denken. Der Betrachter denkt unweigerlich an das, was noch kommen mag.

RP_2022_Dorothee Wenz
Dorothee Wenz

Ebenfalls mit einem Staatspreis in Höhe von 5.000,00 € ausgezeichnet, wurde die freischaffende Keramikkünstlerin Dorothee Wenz für ihre Objekte aus eingefärbtem Ton und Porzellan. Sie lebt und arbeitet im rheinhessischen Schwabenheim.

Statement von Kristiina Karinen für Dorothee Wenz, Staatspreis 2022
Die lebendigen, marmorierten Farbverläufe der opulenten Gefäße von Dorothee Wenz sind wie bunte Gemälde, die starke Assoziationen an die wunderbaren Farbwelten der Natur hervorrufen. Die großformatigen Objekte werden in einem kreativen handwerklichen Prozess frei von Hand gebaut, aus eingefärbten Ton-und Porzellanmassen in streifigen Schichten.
Die vielfach geschliffenen steinig harten Oberflächen der Gefäße überraschen durch seidige Glätte, ein unerwartetes sinnliches Erlebnis! Jedes Objekt ist ein einzigartiges Unikat, das durch Originalität, Freude am Experimentieren und künstlerisches Können überzeugt.

Den Förderpreis für das Kunsthandwerk, ausgelobt von den Handwerkskammern in Rheinland-Pfalz, erhielten drei Handwerker/innen, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

RP_2022_Philipp Munsteiner
Philipp Munsteiner

Einen Förderpreis in Höhe von 1000,00 € ging an Philipp Munsteiner aus Stipshausen. 
Er absolviert zurzeit seine Ausbildung als Edelsteinschleifer im Atelier Munsteiner. Ausgezeichnet wird er für seine Edelsteinschliffe in Bergkristall, Amethyst und Citrin aus der Reihe „Dragon Cut“.

Statement von UNK Kraus für Philipp Munsteiner, Förderpreis 2022
Der Blick in das Auge des Drachens, das Wesen des Getiers erheischend, erfordert Mut und läuft selten auf ein friedliches Kräftemessen hinaus. In unserem Fall personifizieren 4 Quarze die gefährlichen Fabelwesen, ebenso aus vulkanischen und mythischen Erdzeitaltern, denen zu Leibe zu rücken nicht minder Mut und Erfahrung erfordert.
Und wir reden vom Gewerk des Steineschleifers, der mit diamantbesetztem Instrumentarium den widerspenstigen Eigenschaften der Mineralien ein eigenständiges Gepräge einhaucht, trotzend der unterschiedlichen Qualitäten, Einschlüsse mit einkalkulierend und letztlich den physikalischen Gesetzen der Lichtbrechung unterworfen.
Philipp Munsteiner gelang es mit seinem Dragon Cut, einer Technik, die viele spitze Anschliffe und akzentuierte Mattierungen setzt, das Herz des Drachens freizulegen. Es entblößt Zähne, Krallen und Schuppen in seiner urtümlichen Schönheit und offenbart sich in Licht.
Weit mehr als lapidär.

RP_2022_Jakob Waffenderw
Jakob Waffender

Der zweite von insgesamt drei Förderpreisen in Höhe von 1000,00 € wurd an Jakob Waffender aus Mainz verliehen für sein Gesellenstück „Ground Control“, ein Schreibtisch aus Alteiche, Valchromat und Multiplex. Der Schreinergeselle befindet sich aktuell in der Weiterbildung zum Meister.

Statement von René Zechlin für Jakob Waffender, Förderpreis 2022
Das Gesellenstück „Ground Control“ von Jakob Waffender ist ein Schreibtisch, dessen Bau- und Funktionsweise dem Komponieren elektronischer Musik gewidmet ist. Die Jury überzeugte die Umsetzung eines funktionalen Tisches als hochwertiges Designobjekt. Die Formgestaltung ist kompositorisch bestimmt von zwei gegenläufigen Kreisausschnitten, der nach oben verlaufenden Rundung des Korpus und der nach unten verlaufenden Rundung des Beinausschnitts, die sich in den Tischbeinen fortsetzt und dem Möbel eine futuristische Dynamik verleiht. Der aus 27 ausgeschnittenen und verleimten Multiplexplatten bestehende Korpus bildet einen ästhetisch ansprechenden und optimal genutzten Raum für zahlreiche Funktionselemente wie versteckte Schubladen, einer zweiten Arbeitsebene, Öffnungen für Kabel mit Revisionsklappen und Anschlussbuchsen für Mikrofone und Gitarren sowie einem Kopfhörerverstärker.

RP_2022_Luisa Werner
Luisa Werner

Der dritte Förderpreis in Höhe von 1000,00 € wurde an die Schmuckgestalterin Luisa Werner, Bachelor of Fine Arts in Edelstein und Schmuck, Idar-Oberstein, überreicht. Sie überzeugte die Jury mit ihrem Schmuck aus rosa Aventurin.

Statement von UNK Kraus für Luisa Werner, Förderpreis 2022
Mit Luisa Werners Arbeiten begeben wir uns auf eine Bilderreise. Die Barke der gleichnamigen Halskette könnte gerne das Transportmittel in das Land der an Kindheit verweisenden Kette „goût d’enfance“ sein um dann in die dramatischeren Gefilde der knochigen Anmutung der Brosche ohne Titel zu gelangen.
Ihre Arbeiten, hauchdünn graviert aus Blöcken rosa Aventurins und eingefasst mit gefärbten Textilbändern illustrieren eine Landschaft der Leichtigkeit, sind in ihrer Skizzenhaftigkeit und Unbekümmertheit außerordentlich sympathisch, während die Farbigkeit des unpolierten Quarzes mit seiner Hautanmutung nahezu um Trägerschaft buhlt.
Aventüren aus Aventurin auf die sich einzulassen unbedingt lohnt.

Mit dem Preis des Handwerks Rheinland-Pfalz ist eine Geldzuwendung der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz von insgesamt 5.000 Euro verbunden. Die Jury hat sich in diesem Jahr für einen Preisträger in dieser Kategorie entschieden.

RP_2022_Philipp Gröninger
Philipp Gröninger

Mit dem Preis des Handwerks in Höhe von 5000,00 € wurde Philipp Gröninger ausgezeichnet, Gold- und Silberschmiedemeister aus Bendorf, Landkreis Mayen-Koblenz. Mit der herausragenden handwerklichen Leistung und einer überzeugenden Gestaltung der Arbeiten begründete die Jury diese Entscheidung.

Statement von Stefanie Wiebelhaus für Philipp Gröninger, Preis des Handwerks 2022
Immer wieder neu zu denken, neu zu erfinden und seiner Formsprache dennoch treu zu bleiben, dafür steht Phillip Gröninger.
Der Gold- und Silberschmied aus Bendorf überzeugte mit einer Karaffe und passenden Bechern, die mit einer fast schon vergessenen Technik aus dem 14.Jhd. meisterlich hergestellt wurde. Die besondere Textur und der schleichende Farbübergang an der Oberfläche, sowie die klare Formgebung sind sowohl optisch als auch haptisch ein außergewöhnlicher Genuss. An Präzision, Detailtreue und Harmonie ist die Kaffeepresse kaum zu überbieten und die Pommesgabeln zeigen auf eine selbstironische Weise Witz und Esprit.

Ausstellungen

Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen vom
30. April bis zum 19. Juni

Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr: 11 – 18 Uhr, Do: 11 – 20 Uhr, Sa, So & Feiertage: 10 – 18 Uhr.

Info: Wilhelm-Hack-Museum, Telefon 0621. 504 – 3045/3411,
hackmuseum@ludwigshafen.de

Ausstellung der Preisträger in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz, in den Ministergärten 6, 10117 Berlin vom 27.06. bis 08.07.2022

Info: Beratungsstelle für Formgebung der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz,
Telefon 06131 9992-295/296, form@hwk.de, http://www.formdesign.de.

Ausstellungskatalog

Ein umfangreicher Katalog mit Farbabbildungen der Exponate dokumentiert die Qualität der ausgestellten Arbeiten. Eine Online-Version ist unter http://www.formdesign.de eingestellt.