Trotz vielerlei Einschränkungen und Engpässen wird Lotte Reimers jährliche Werkschau mit den Arbeiten des rückliegenden Jahres nahezu 70 Objekte zeigen. Aus drei sehr unterschiedlichen Tonsorten., wiederrum alle handgebaut und mit Glasuren aus Rohstoffen der Natur, wie Steine, Erden, Aschen verschiedener Hölzer und natürlich, wie seit ihren Anfängen, mit Weinrebenasche.
Kleine Überraschungen bei der Formgebung – Details wie „Halskrausen“ und „brökelnde“ Kanten bei schrägen Öffnungen. Und auch die Glasurbilder werden vielleicht bei langjährigen Anhängern und auch bei neuen Interessenten Freude wecken können. Ein mit 33 ganzseitigen Farbabbildungen in Ralf Zieglers bewährter fotografischer Qualität ausgestattetes Katalogheft begleitet diese Ausstellung 2019.
„In meinen Träumen sehe ich oft Berge von frischem Ton, sehe, wie ich daraus ganze Reihen immer größerer Gefäß-Körper baue und wie ich große Räume mit dieser stetig wachsenden Schar bevölkere und die weißgekalkten Wände mit immer größeren fotografischen Bildern behänge…
Vielleicht träume ich deshalb so groß, weil meine Werkstatt so klein ist.
Als ich mit der Keramik begann, noch keinen eigenen Ofen hatte, machte ich Schalen, groß wie ein alter Mühlstein, die dann in einem Industrie-Ringofen mitgebrannt wurden. Mein erster Brennofen dagegen war nur 35 cm im Geviert und meine Glasurbehälter sind bis zum heutigen Tag leere Honiggläser.
Seit 1965 mache ich Keramik. Meine Arbeiten entstehen ohne Töpferscheibe, frei aufgebaut aus grobkörnigem Schamotteton. Rissig-rauhe Kanten, Quetsch-Rillen, Kerbspuren und Reliefstrukturen sind typische Merkmale, ebenso Dickwandigkeit und Schwere, oft in Kontrast zu zarten Hälsen und schwingenden Formlinien.
Die Glasuren sind – was vor Jahrzehnten noch ein bestauntes Novum war – wie vor Jahrtausenden aus Steinen, Holzaschen und farbigen Erden entwickelt, durch Schütten, Tauchen, Schleudern oder mit dem Pinsel in mehreren Schichten aufgetragen und oft gegen freigelassene Flächen gesetzt. Im keramischen Objekt Gegensätze zu bündeln – Ruhe und Bewegung, Aufbruck und ebene Fläche, Schürfkanten und Glätte, Reihung und Kontrapunkt, Farbigkeit und tiefes Schwarz, Fließspuren und Pinselakzente bei der Formgebung und beim Glasieren – und auf diese Weise Keramiken zu erzeugen, die Ruhe ausstrahlen und gleichzeitig gezähmte Urkräfte ahnen lassen, das ist für mich immer wieder Zwang und Verlockung zugleich.“
Lotte Reimers – Stiftung – Kunstzentrum
Stadtmauergasse 17
D-67146 Deidesheim
Öffnungszeiten: 7. bis 22.September 2019, täglich von 14 bis 17 Uhr
Hinweis: Die Ausstellung wird nur zwei Wochen geöffnet sein, da wenige Tage danach in Gotha auf Schloss Friedenstein im Herzoglichen Museum die große Schau beginnt: „Keramische Horizonte – die Sammlung der Lotte-Reimers-Stiftung“ mit 300 Objekten von 115 internationalen Künstlern. Der Katalog dazu ist bei arnold’sche Art Publishers erschienen.