The Magnificience of Rococo: Krakau (PL) bis 29.09.2024

Im Alter von 25 Jahren wurde Johann Joachim Kaendler (1706-1775) von August dem Starken (reg. 1694-1733) zum Hofbildhauer ernannt. Noch im selben Jahr trat er als Modelleur in die Meissener Porzellanmanufaktur ein, der er zeitlebens treu blieb. Kaendlers Name ist eng mit der Blütezeit der Meissener Manufaktur im 18. Jahrhundert verbunden. Hier bewies er sein künstlerisches und handwerkliches Geschick bei der Schaffung zahlreicher Porzellanplastiken, die noch heute als Sammlerstücke hoch geschätzt werden. Zugleich gehören sie bis heute zum Repertoire der Manufaktur.

Die Themenwahl in Kaendlers Werken spiegelt das höfische Leben der Zeit wider, das vom Spätbarock über das Rokoko bis zum aufkommenden Klassizismus reichte. Bis zum Ende der sächsisch-polnischen Doppelherrschaft 1763 waren Adel und Hof fast die einzigen Kunden der Manufaktur, bevor das aufstrebende Bürgertum das Porzellan endgültig für sich entdeckte. Entsprechend orientieren sich Kaendlers frühe Werke an den Vorlieben und Moden des Hofes. Jagd und Theater – insbesondere die populäre Commedia dell’arte – spielten dabei eine zentrale Rolle, ebenso wie der Freimaurerorden, der nach dem päpstlichen Verbot von 1738 durch den Mopsorden ersetzt wurde.

1736 schuf Kaendler erstmals eine der hochgeschätzten Krinolinengruppen, die oft Männer und Frauen im höfischen Alltag, auch in amourösem Kontext, darstellten. Benannt wurden sie nach den ausgestellten Röcken der Damen, die durch ein Gerüst aus Fischgräten in Form gebracht wurden. Neben den Liebesabenteuern gehörte die ländliche Idylle, das einfache Leben, zu den geheimen Sehnsüchten des Adels. Seine berühmteste Ausprägung fand dieser Trend im Hameau der französischen Königin Marie Antoinette (1755-1793) in Versailles. Kaendler bediente diese Mode mit Figuren aus dem Volk, Handwerkern, Bauern und nicht zuletzt den „Cris de Paris“ (Pariser Schreie), die verschiedene Berufe verkörpern.

Der zunehmende Welthandel und Reiseberichte aus fernen Ländern weckten damals die Neugierde der Menschen. Exotische Darstellungen aller Art waren en vogue. Künstler und Kunsthandwerker bemühten sich, die Wünsche ihrer Kunden mit immer neuen Sujets zu befriedigen, die jedoch oft weit von der Realität entfernt waren – und nur wenige konnten sie überhaupt überprüfen. Kaendler widmete sich dem Thema auf seine eigene Art und Weise. Er modellierte Figuren in den Trachten verschiedener Völker und auch Tiere, die den Mitteleuropäern damals fremd waren, wie Elefanten, Löwen und Dromedare, um nur einige zu nennen. Die Chinoiserien hatten sich längst zu einer eigenständigen Mode entwickelt. Kaendler beschränkte sich nicht darauf, einzelne Figuren in ihren charakteristischen Kostümen und Physiognomien zu gestalten, sondern schuf auch Familienszenen von einzigartigem Reiz.

Die erhaltenen Aufzeichnungen Kaendlers aus den 1740er Jahren belegen seine Produktivität. Die erhaltenen Porzellanplastiken zeugen von seiner Kreativität, seinem Genie. So entstand innerhalb weniger Jahre eine eigene Welt aus Porzellan, die von der damaligen Gesellschaft geschätzt wurde. Auch wenn sich die Geschmäcker seither geändert haben, erweist sich Kaendler bei näherem Hinsehen immer noch als begnadeter Künstler.

Die gemeinsam von der Galerie Röbbig und dem Königsschloss Wawel organisierte Ausstellung präsentiert erstmals in Polen eine prachtvolle Figurengruppe von Johann Joachim Kaendler aus europäischen Privatsammlungen. Die Ausstellung ist ein hervorragendes Pendant zur Wawel-Sammlung von Meißner Porzellan, in deren Mittelpunkt herrschaftliche Objekte stehen, die veranschaulichen, wie die Manufaktur das Prestige des wettinischen Hofes steigerte. Der Wawel-Hügel war ab 1025 Sitz der polnischen Könige, und hier fanden Krönungen statt, darunter die von August II. dem Stolzen und seinem Sohn August III. Die von der münchner Galerie Röbbig präsentierten Figuren dienten und dienen auch heute noch dem eher privaten Bedarf von Porzellanliebhabern in aller Welt. Gemeinsam vermitteln die beiden Sammlungen ein opulentes Bild vom Leben in den Palästen und Residenzen der Mitte des 18. Jahrhunderts. (Pressetext)

Kaendler_WawelDie begleitende Publikation „Magnificence of Rococo“ bei arnoldsche ART PUBLISHERS vereint nun zum ersten Mal beeindruckende Porzellanplastiken aus hochkarätigen europäischen Privatsammlungen: Auf über 300 Seiten vermitteln diese prunkvollen, oft einzigartigen Objekte Einblicke in das höfische Leben des Barock und Rokoko. Mit Beiträgen von Wilko Beckmann, Claudia Bodinek, Anne Forray-Carlier, Dorota Gabryś, Katharina Hantschmann, Christian Lechelt, Viviane Mesqui, Marie-Laure de Rochebrune, Vanessa Sigalas, Dirk Syndram, and Julia Weber und einem Vorwort von Andrzej Betlej, Alfredo Reyes und Dirk Syndram.

Burg Wawel, Krakau / Polen

Öffnungszeiten:  von 9 bis 17 Uhr, im Juli und August 9 bis 18 Uhr
letzter Einlass: 60 Minuten vor Schliessung