Führungswechsel in Hanau: Malte Guttek

Malte Guttek

Der Kunsthistoriker Malte Guttek übernahm Anfang 2024 in Personalunion die Geschäftsführung der Gesellschaft für Goldschmiedekunst e.V. sowie die Leitung des Deutschen Goldschmiedehauses Hanau von Christianne Weber-Stöber. Auch sie folgte vor 34 Jahren als junge Kunsthistorikerin dem Angebot als Geschäftsführerin der Gesellschaft für Goldschmiedekunst tätig zu werden. Angesiedelt war diese damals schon im Goldschmiedehaus, das, damals wie heute unter der Trägerschaft der Stadt Hanau, noch einen eigenständigen Museumsleiter hatte. Erst im Jahr 2006 wurde Christianne Weber-Stöber auch Museumsleiterin, nun mit Projekt- und Budgetverantwortung für beide Institutionen.

DGH Außen (Foto Dr. Christine Jung)
Deutsches Goldschmiedehaus Hanau | Foto Dr. Christine Jung

Der heute 34jährige Malte Guttek wuchs in Iserlohn auf und studierte am kunsthistorischen Institut in Bonn. Er verbrachte ein Jahr in Rom, das er so intensiv für Reisen und Besichtigungen nutzte, „wie man es sonst nicht schafft“. Dem dreijährigen Volontariat am Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, folgte seine mehrjährige freie Mitarbeit. Im Rahmen seines Promotionsvorhabens zum Kölner Bildhauer Heinz Breloh vereinbarte die Erbengemeinschaft des Künstlers mit Malte Guttek eine langfristige Betreuung als künstlerischer Leiter des Nachlasses. Dem Feld der angewandten Kunst galt schon während des Studiums sein Interesse, auch wenn sie in der universitären Lehre keine Rolle spielt. Kolumba öffnete ihm in diesem Bereich viele Türen, zuletzt auch die zum Goldschmiedehaus und zur Gesellschaft für Goldschmiedekunst.

Nun sieht er sich einer Mammutaufgabe gegenüber, die aus der Ferne vermutlich nur als künstlerische Freiheit eines Museumsleiters und Geschäftsführers fehlinterpretiert wird. Umbrüche, neue und zeitgemäße Erfordernisse werden weder vor dem Museum noch vor der Gesellschaft Halt machen. Malte Guttek sieht sich in der Verantwortung vor der Stadt Hanau, der Gesellschaft und der Fachwelt, um deren sehr unterschiedlichen Perspektiven und Ansprüchen erfolgreich gerecht zu werden. Dabei verfällt er nicht in Aktionismus, sondern analysiert die Gegebenheiten mit Bedacht, wie ich in einem ausführlichen Gespräch mit ihm erfahren durfte.

Foto Ausstellung Mit Eigensinn 2023 Foto Dettmar
Foto Ausstellung „Mit Eigensinn“ 2023 Foto Dettmar

In der Aussenwirkung vermengen sich Gesellschaft und Goldschmiedehaus, stellt er fest, obwohl sie de facto recht unterschiedliche Interessen verfolgen. DieGesellschaft für Goldschmiedekunst beschreibt sich als eine international orientierte, kulturelle Einrichtung. Ihr ist die Förderung und Unterstützung der zeitgenössischen Schmuck- und Gerätgestaltung ein zentrales Anliegen. Dieses verfolgt sie, indem sie jungen Schmuck- und Gerätgestaltern durch Wettbewerbe, Ausstellungen und Publikationen Öffentlichkeit verschafft. Darüber hinaus setzt sie sich für die Verbreitung und Akzeptanz des Künstlerschmucks ebenso ein wie für den Schmuck in Kleinserie oder das klassische Schmuckunikat.

Ausstellung Friedrich Becker - Zum Spielen geboren. 2022. Foto Uwe Dettmar
Ausstellung Friedrich Becker – Zum Spielen geboren. 2022. Foto Uwe Dettmar

Wichtigste Formate sind dabei die Wettbewerbe „Friedrich Becker Preis Düsseldorf“ und die „Silbertriennale International“. Mit der Verleihung des „Goldenen Ehrenrings für Künstler“ (bis 2014) zeichnete die Gesellschaft herausragende Persönlichkeiten der Gold- und Silberschmiedeszene aus, Förderer wurden mit der „Goldenen Medaille“( bis 2016) geehrt. Die Gesellschaft richtet seit 2004 alle zwei Jahre auch den Stadtgoldschmied aus, der von der Stadt Hanau finanziert wird. Seit 2019 wird das „Celia Holtzer Stipendium“ an begabte Schüler*innen der Staatlichen Zeichenakademie verliehen. Die Teilnahme an diesen Angeboten stehen übrigens jedem professionellen Gold- oder Silberschmied und Gestalter offen, völlig unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Gesellschaft.

Hier bietet das seit dem 1. April 2006 von der Gesellschaft geleitete Museum, das „Deutsche Goldschmiedehaus Hanau“ eine Schnittstelle. Doch dessen Aktivitäten verschwimmen in der Kommunikation mit denen der Gesellschaft, deren Präsenz die Besucher des Goldschmiedehauses eigentlich nicht interessiert. Als Veranstalterin tritt sie in ihrer Sichtbarkeit hinter dem Goldschmiedehaus zurück, das schon durch seine architektonische Präsenz eine größere Wirkmacht hat, dessen Ziele aber, in der Trägerschaft der Stadt Hanau, nicht unbedingt kongruent sein müssen.

Vor diesem Hintergrund stellen sich dem Geschäftsführer Malte Guttek zwangsläufig brisante Fragen, angeführt von jener, wie sich junge Schmuckgestalter heute und in Zukunft als ebenso engagierte wie zahlende Mitglieder für die Gesellschaft werben lassen?

Was muss die Gesellschaft können, damit sie für ein Engagement interessant ist und bleibt?

Wie kann sie mit ihrem guten Image für die Sichtbarkeit ihrer professionellen Mitglieder sorgen und auf die Vielfalt und Qualität ihrer Arbeit aufmerksam machen?

Wie können die Ausschreibungen der Wettbewerbe und ihre Durchführung für Veranstalter wie Teilnehmer gleichermaßen attraktiv und öffentlichkeitswirksam gestaltet werden?

Sind die Ausschreibungen noch zeitgemäß und interessant genug für die kommenden Generationen, sich ändernde Berufsbedingungen und Rezeptionsgewohnheiten?

Welche Netzwerke, Partner und Multiplikatoren könnten für die Unterstützung der Ziele der Gesellschaft sinnvollerweise noch aktiviert werden?

Müsste der Anspruch der Internationalität vertieft werden und wie?

… to be continued.

Treppenhaus DGH Friedrich Becker Wellenkinetik. Foto Uwe DettmarMalte Guttek ist klug genug, sich Etappen zu setzen, seinen gewissenhaften Analysen der Gegebenheiten Zeit zu lassen und nichts zu überstürzen. Das Goldschmiedehaus funktioniere vor allem in der Stadt und auch dafür muss es attraktiver werden, „es fehlt ihm die visuelle Überwältigung“ wie sie heute viele, auch die Präsentationen kleiner Museen, bieten. Doch allein die Fördermittel für eine Renovierung zu bekommen, diese dann zu planen und durchzuführen, bindet wertvolle Kräfte. Aus den Sammlungen beider Institutionen möchte er derweil eine neu einzurichtende Dauerausstellung kuratieren. Tatkräftige Unterstützung wird er dafür von Ruth Schneider bekommen, Autorin und Podcasterin im Bereich körperbezogener Arbeiten. Im Rahmen einer einjährigen Projektstelle wird sie ihre Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit Schmuck als gesellschaftspolitischem Phänomen einbringen. Weiterhin werden neben klassischen Werkschauen, wie zu Alexander Blank im September diesen Jahres, Themen-Ausstellungen geplant, nicht zuletzt die schon zu seiner Bewerbung versprochene Schau mit Arbeiten von Elisabeth Treskow im Mittelpunkt. Ausgehend von ihren Arbeiten im Kölner Domschatz möchte Malte Guttek ab Oktober das Kirchensilber namhafter Silber- und Goldschmiede der Nachkriegszeit in den Fokus nehmen. Ein wirklich abwechslungsreiches Veranstaltungsprogramm für unterschiedlichste Zielgruppen belebt das Goldschmiedehaus schon jetzt geradezu vorbildlich.

Ausstellung Endlich Volljährig - 18 Jahre Kinderworkshops. 2024. Foto Archiv GfG
Ausstellung 2024 „Endlich Volljährig“ – 18 Jahre Kinderworkshops

Malte Guttek möchte mit seiner Strategie zur aktuellen Bespielung des Goldschmiedehauses weiterhin ausreichend Ressourcen zur Führung der Gesellschaft sowie zur Professionalisierung und Aufwertung ihrer Anliegen aufbringen. Vordergründig werden sich seine Überlegungen z.B. in dem Relaunch der Homepage niederschlagen. Substanziell wird ihm die Gesprächsbereitschaft und Offenheit der Kollegen, der Gold- und Silberschmiede, der Fachwelt aus Museen, Galerien, Hochschulen aber auch der Wirtschaft und der Kammern sehr willkommen sein. Die Formulierung ihrer Erwartungen und Bedarfe an eine zeitgemäße Gesellschaft für Goldschmiedekunst und ihre ernsthafte Unterstützung zu ihrer Umsetzung können den Humus für eine zukunftsfähige Gesellschaft für Goldschmiedekunst bilden.

© Schnuppe von Gwinner

Die initiale Kontaktaufnahme mit Malte Guttek gelingt besonders gut bei einem Apéro und den Künstlergesprächen im Goldschmiedehaus…

Gesellschaft für Goldschmiedekunst e. V.

Deutsches Goldschmiedehaus 
Altstädter Markt 6
63450 Hanau

671 DG. Silvia Weidenbach. Halssschmuck 'Fractral Invention' und Display. 3D gedrucker Mondstaub, Silber, Gold, Email; Display-Metall. 2012 Foto Laura FalconerAm 1.Juni 2024  um 10:00 Uhr hält Malte Guttek einen Vortrag im Rahmen des HAXTHÄUSER HOF JEWELLERY SYMPOSIUM 2024: Die Auseinandersetzung mit dem Neuen Materialismus kann der Schmuckgestaltung neue Impulse geben und die Diskursfähigkeit der Schmuckkunst stärken. Damit gehen aber auch erhöhte Anforderungen an die Intellektualität des Schmucks einher, wenn er sich als zeitgenössisch unter den anderen Künsten behaupten soll. Das stellt nicht nur die Künstler, sondern auch die Museen vor neue Herausforderungen.“