Partytime – Hermann Grüneberg: Berlin vom 07.11 bis 20.12.2025

Hermann Grüneberg, Working out til midnight 2024. 38 x 28 cm | Foto: Brutto Gusto

Neu entdeckt von Geer Pouls stehen die originellen Werke des Künstlers Hermann Grüneberg aktuell im Zentrum der Aufmerksamkeit bei Brutto Gusto – dem Künstler Rüdiger Giebler verdanken wir diese schöne Einführung:

Hermann Grüneberg ist der personalisierte Kreativkurs für Fortgeschrittene. Seine Teller und Figuren sind ein Stresstest für Keramikliebhaber. Er macht das, wovon immer abgeraten wird.
Grünebergs Keramiken sind deshalb so selbstverständlich, weil sie aus lauter Unmöglichkeiten zusammengesetzt sind. Wie alle realen Figuren eben auch.

Hermann Grüneberg, Lagune 2025. 40 x 46 cm | Foto: Brutto Gusto

Studiert hat er in der Keramikklasse an der Burg Giebichenstein in Halle. Die Schule hat ein den letzten drei Jahrzehnten einen unglücklichen Wandel von einer kombinierten Industriedesign- und Handwerksschule zu einer gegenwärtigen Hochschule der Künste durchlaufen.
Das Keramik ist die einzige Klasse, die im Verlauf der Umgestaltung dieser Einrichtung, ihre Traditionen tatsächlich hinterfragt und sich nicht einfach nur selbst abschafft hat.
Die haben da Glück. Mit einer soliden Tradition und mit ihren Lehrern. Die Dekonstruktion des Überkommenen war immer schon Programm dieser Klasse und von den großen Lehrerinnen wie Marguerite Friedlaender und Gertraud Möhwald so auch immer eingefordert.
Und es gab immer Bildhauer und Maler, die keramisch arbeiteten an der Burg, wie Gerhard Marcks, Karl Müller, Charles Chrodel und als Seiteneinsteiger inspirierten.


Hermann Grüneberg, Sebastian 2024. 30 x 25 cm | Foto: Brutto Gusto

Die Teller


Das runde oder ovale Bildnis ist eine Herausnahme aus der rechtwinkligen Rationalität. Wir kennen das als Erinnerungsbild, Andenkenbild, als Medaillon, als ein Bildnis besonderer Wertschätzung.
Grünebergs Schmuckteller sind eine Herausforderung für jede Wohnzimmerwand. Seine fiktiven Portraits sind Erregungszustände. Repräsentative Schauteller mit einer sehr gelösten & improvisierten Bemalung. Das sind keine Portraits von Herrschaften, Heiligen, verdienten Werktätigen oder Erinnerungsbilder erfolgreicher Wissenschaftler, Entdecker oder Leistungssportler. Das sind Darstellungen leicht verwirrter und exaltierter Mitmenschen, denen die Physiognomie aus der Balance geraten ist. Teller als Spiegelbild.

Auf jedem Teller ein Portrait. Die Männer weinen und die Frauen strahlen. Eine kuriose Ahnengalerie von Ziertellern, eine Karikatur des feudalen, bürgerlichen und kleinbürgerlichen Repräsentationsbedürfnisses. Sie merken es geht immer weiter bergab. Doch ab hier geht es wieder aufwärts.

Gewichtige Gesten sind mit Ironie und Albernheiten durchsetzt. Das sind spontan entstandene Bildnisse.
Die sichtbare Handschrift, das Spontane und Fragile, die Simulation des Dilettantischen, das absichtlich Schludrige, der sichtbare Arbeitsprozess, die Korrekturen – alles bleibt stehen.

Die Keramiken sind gedrückte oder aufgebaute flachen Schalen aus schamottierten Ton. Das sind spröde und rohe Objekte.

Hermann Grüneberg, Bildnis | Foto: Brutto Gusto

Grüneberg interessiert das Porträt, die Bilder sind zumeist im Objekt randfüllend eingesetzt – die groben Tellerformen umschreiben eng die Köpfe als schrundige Gloriolen.
 In dieser Malerei verwandelt sich die Realität und das Erdachte in Muster und Zeichen.
Herz, Auge, Mund werden zur Hieroglyphen. Für den Betrachter sind sie leicht lesbar. Die auf die Wangen tätowierte Herzen sind erhitztes Fleisch und erröten aus seelischer Erregung.
Das Gesicht wird in abstrahierte Einzelteile zerlegt.  Auge, Ohr, Mund, Nase, Haarkringellocken. Alles Zeichen.

Und diese graphischen Kürzel werden dann mit Bedeutung angefüttert und als Individuum neu zusammen gefügt.
Die Bemalung setzt sich aus fragmentarischen Mustern und Ergänzungen zusammen.
Auf dem Gefäß wird alles zu Ornament.
 Und in der Verwischung von Zeichenhaften und Zeichnung ist Grüneberg ganz Keramiker. In seiner absichtlichen Ungenauigkeit erscheint das nicht als Makel. Das gehört zum Handwerk. Das Ritual lebt von der Wiederholung.

Grüneberg tastet sich an seine Motive heran. Es gibt offensichtlich keinen Plan zur Verschönerung des Objektes. Das ist eine Malerei, die sichtbar Korrekturen und Übermalungen stehen läßt. Die unkaschierte Überarbeitung ist ein Gestaltungselement. Das ist Teil der Erzählung aus grobe Linien und Ritzungen, von sehr dichten Farbfeldern neben transparenten Partien. Mehreren Glasurbrände erlauben monochrome Flächen wie Blöcke in das Bild zu setzen.

Hermann Grüneberg, Bildnis | Foto: Brutto Gusto

Mit der Verdichtung der Malerei steigt das Risiko von Fehlbränden. Technisch geht das an die Grenzen des Machbaren. Alles was rissig und brüchig wird, die Verwerfungen, das Unberechenbare, das nicht Steuerbare und der Makel wird als Bildmaterial einbezogen. Die kalkulierte Ausschussware bewahrt vor handwerklichen Nettigkeiten.

Bei Grüneberg ist nicht im geringsten ein heilpädagogischer Ansatz zu erkennen.
Irgendwas stimmt nicht in dieser Welt. Spülmaschinenfest ist sie auch nicht. Der Optimismus geht gerade bis zur Annahme, dass die Welt vielleicht doch nur fehlerhaft und nicht einfach nur verfehlt ist.“

Präsentiert werden darüber hinaus Candlesticks von Leopold Anzengruber l Helen Frik l Marius Giuge l Wietske van Leeuwen | Nienke Sikkema l Willem Speekenbrink 

Brutto Gusto

Wielandstrasse 34, 10629 Berlin-Charlottenburg

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 10 bis 18 Uhr