Nach einer etwas längeren Pause hat das Handwerksmuseum dieses Jahr zum zehnten Mal den Wettbewerb für Handwerk und Design, dieses Mal mit dem Thema „Gut behütet – Kopfbedeckungen neu gedacht“, ausgeschrieben.
119 Menschen aus Kunsthandwerk und Design sowie junge Talente aus Ausbildung und Studium haben sich die Mühe gemacht und insgesamt 187 Kopfbedeckungen eingereicht. Aus dieser vielfältigen Auswahl hat eine Fachjury 42 Teilnehmende zugelassen. Rund 70 Kopfbedeckungen wurden ausgewählt, die nun in der Ausstellung zu sehen sind. Die feierliche Eröffnung zur Ausstellung mit Preisverleihung fand am Samstag, 29.03.2025 im Alten Rathaus Deggendorf statt.
Unter den eingegangenen Bewerbungen wurden durch die Jury, die sich aus dem Leiter der Keramikschule Landshut Rudolf Schepp, der Leiterin der Galerie Handwerk München Barbara Schmidt, Hubert Huber, dem Vorsitzenden des Berufsverbandes Bildender Künstler Niederbayern sowie Anja Fröhlich M.A., Leiterin der Deggendorfer Museen und Greta Butuci M.A., wiss. Mitarbeiterin im Handwerksmuseum Deggendorf und Organisatorin des Wettbewerbs, zusammensetzte, die Preisträgerinnen und Preisträger bestimmt.
Die Preisgelder in Höhe von insgesamt 3.000 € teilen sich nun vier Preisträgerinnen und Preisträger, die am Eröffnungstag bekanntgegeben werden. Außerdem wurde in diesem Jahr noch eine Belobigung ausgesprochen und mit einer Wertschätzung in Höhe von 250 € gewürdigt.
Hier sind die Preisträger mit den Jurybegründungen:
Platz 1 – Edith Berger, AB_WESEN

Foto: Rudi Scharf
Die Arbeit „AB_WESEN“ von Edith Berger überzeugte die Jury nicht nur durch die gestalterische Qualität in der kunsthandwerklichen Ausführung. Der Materialmix aus Garn, Draht und Porzellan harmoniert auf eine einzigartige Weise. Der Übergang des gehäkelten Garns über die Drahtösen, hin zu den aus Porzellan gearbeiteten „Stacheln“ geht durch die präzise Verarbeitung von einem Material ins andere über. Faszinierend ist auch die Gegensätzlichkeit der fragil wirkenden Kopfbedeckung, die aber in der Handhabung sehr robust und stabil ist.
Neben der Ausführung hat die Jury auch die kreative, nicht konventionelle Auseinandersetzung mit dem vorgegebenen Thema überzeugt. Obwohl die Kopfbedeckung das ganze Gesicht bedeckt, lässt es die Strukturen des Gesichts erahnen und spricht durch die akustische Komponente – einem sanften Klirren der „Porzellan-Stacheln“ – mehrere Sinne an, schafft beim Aufsetzen sogar eine eigene Erlebniswelt. Das macht die Arbeit von Edith Berger zu einem würdigen ersten Sieger im Wettbewerb „Gut behütet – Kopfbedeckungen neu gedacht“ 2025.
Platz 2 – Maurizio Paul Hirmer, Neutralisierung-Hybrid

Die Preiswürdigkeit der Arbeit „Neutralisierung-Hybrid“ von Maurizio Paul Hirmer liegt unter anderem in der hervorragenden handwerklichen Ausführung und Qualität mit der Anwendung der selbst entwickelten Technik der Federschichtung. Für die Jury stach auch die Verwendung der Federn heraus: In der Mode meist nur als Schmuckelement eingesetzt, wird das Schmuckelement hier zu einer eigenen Arbeit. Das außergewöhnliche Farbenspiel und der Kontrast mit den blauen Kronenfedern des Pfaus macht „Neutralisierung-Hybrid“ zu einem tollen Blickfang, der zudem auch tragbar ist.
Auch hier überzeugte die kreative Auseinandersetzung mit dem Wettbewerbsthema, die hier futuristisch umgesetzt wurde. Obwohl die Kopfbedeckung gedanklich der Kleidung einiger Naturvölker ähnelt und sich Menschen seit jeher mit Federn schmücken, erinnert die Arbeit auch an Science Fiction und hybride Lebensformen, die sich erst noch entwickeln werden – wirklich „neu gedacht“.
Durch die herausragende Qualität der eingereichten Arbeiten und der besonderen Ausführung hat sich die Jury in diesem Jahr dafür entschieden, den dritten Platz an zwei Arbeiten zu vergeben.
Die Arbeit „Strahlen“ von Silvia Fedorová strahlt im wahrsten Sinne des Wortes etwas Wildes, Erhabenes, sogar Königliches aus. Gleichzeitig besteht sie gänzlich aus einfachen Materialien, die eher seltener in der Hutmode genutzt werden: Kupferdraht und Plastiktüten. Vor allem Plastiktüten haben nicht nur einen schlechten Ruf, sondern gelten als billig und nicht wertig. Fedorová schafft es jedoch durch die Verarbeitung und Komposition diesen Materialien eine luxuriöse Wirkung zu entlocken. Das changierende Lichtspiel und die Zartheit des Plastiks entfalten dabei ihr ganzes Potential. Der kronenartige Hut wirkt trotz seines geringen Gewichts und seiner Leichtigkeit theatralisch und voluminös, lässt sich dabei aber gleichzeitig ganz leicht zusammenfalten.

Die Arbeit „Helmpflicht“ – Norfolk und Suffolk von Heike Thamm besteht aus zwei Kopfbedeckungen, die das Thema „Helmpflicht“ aufgreifen und auf überraschende Weise interpretieren. Durch die raffinierte Drapierung des Strohs entsteht eine außergewöhnliche Balance zwischen Stabilität und Leichtigkeit: Das Material erinnert in seiner Anmutung an Metall, bleibt aber in seiner Formensprache weich und fließend. Die präzise gesetzten, drapierten Nähte unterstreichen diese Dualität – sie verleihen den Hüten eine skulpturale Qualität und lassen gleichzeitig die Materialität des Strohs beinahe vergessen. Die Arbeit überzeugt durch ihre konsequente Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Silhouette in der Mode: Die Kopfbedeckungen schaffen eine neue Form, die historische Referenzen mit zeitgemäßer Formensprache verbindet. Diese Neuinterpretation begeisterte die Jury.
Belobigung – Franziska Maria Pruckner

Die Jury spricht Franziska Pruckner eine Belobigung aus für ihre kritische und zugleich spielerische Auseinandersetzung mit der Linzer Goldhaube – einem traditionsreichen Symbol weiblicher Rollenbilder. Ihre Arbeit greift die historische Form der Goldhaube auf, bricht sie aber bewusst auf und überträgt sie in einen zeitgenössischen Kontext.
Besonders bemerkenswert ist die Art der Wiederaneignung: Anstatt Tradition unhinterfragt zu übernehmen, setzt Pruckner auf eine vielschichtige Neuinterpretation. Die Verwendung von Schürzenresten aus der Familiengeschichte – von Mutter, Großmutter und Urgroßmutter – verweist auf das Erbe weiblicher Handarbeit, doch anstatt diese Materialien bloß zu bewahren, verwandelt sie sie in etwas Eigenes. Die abstrakten bis surrealen Stickereien sowie die untypische Farbkomposition lösen sich von der klassischen Ästhetik der Goldhaube und verleihen ihr eine neue, individuelle Bedeutung. Diese gestalterische und inhaltliche Auseinandersetzung gewinnt vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Debatten über Geschlechterrollen zusätzliche Relevanz. Die Goldhaube, die mit bestimmten Frauenbildern verbunden ist, wird hier von einer jungen Künstlerin kritisch hinterfragt. Für diese kluge Reflexion, die Verbindung von Tradition und persönlicher Geschichte sowie die meisterhafte handwerkliche Umsetzung verdient Franziska Pruckner die Belobigung der Jury.
Hüte sind weit mehr als funktionale Kleidungsstücke – sie sind kulturelle Artefakte, die Geschichten von Macht, Wandel und Kreativität erzählen. Ihre Formen und Bedeutungen mögen sich im Laufe der Jahrhunderte verändert haben, doch ihre Rolle als Ausdruck von Identität und Stil bleibt ungebrochen. (Pressetext)
Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog mit den Arbeiten der Ausgezeichneten und der Wettbewerbsteilnehmenden erschienen, der über das >Museum zu beziehen ist.
Maria-Ward-Platz 1
94469 Deggendorf
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag: 10.00 Uhr – 16.00 Uhr | Sonntag und Feiertage: 10.00 Uhr – 17.00 Uhr | Montag geschlossen
