Während meines jüngsten Atelierbesuchs überraschte mich Peter Bauhuis mit der Behauptung, sein neues Lieblingswerkzeug sei der Gabelstapler. Doch das viel- und kleinteilige Ambiente seines Arbeitsraumes legt diese Erkenntnis nicht nahe. Es wirkt eher wie die Einladung zu einem vielstündigen Augenspaziergang, begleitet von inspirierender Konversation. Der Anblick der in Regalen gestapelten Gussformen und Modelle provoziert die Erörterung technischer Spitzfindigkeiten. Wie die optimale Anbringung von Gusskanälen oder der ideale Schmelzpunkt im Simultanguss zweier Metalllegierungen, hier meistens Silber und Kupfer.

simultan gegossenes Gefäss
Feinsilber, Kupfer
77 x 74 x 117 mm
Gleich hat der Künstler ein besonders gelungenes Gefäss zur Hand um das Wunder beispielhaft zu erläutern. Die Entstehung chaotischer Strukturen beim Aufeinandertreffen zweier Legierungen, der sich daraus ergebende Dominoeffekt, der zu immer neuen Legierungen führt, denen zauberhafte Wolkengebilde, Verästelungen und aquarellhafte Farbverläufe entspringen. Alchemie, Wagemut und blitzschnelle assoziative Kräfte spielen mit, wenn Peter Bauhuis sich dem Guss eines neuen Gefäßes mit wohl bedachtem Plan widmet. Die Bälle des Zufalls fängt er mit souveränem Geschick auf und verwandelt auch sie in ästhetische Glücksfälle.

Egal wo wir hinschauen oder hin greifen, überall entfalten sich Geschichten und Erkenntnisse, deren Poesie und Erstaunlichkeit zumeist in naturwissenschaftlichen Phänomenen begründet liegen. Der Goldschmied, Forscher, Alchemist und Künstler Peter Bauhuis gibt ihnen nicht nur eine Form, Broschierung bzw. Beinchen um darauf zu stehen. Seine Objekte beziehen sich formal auf menschliche Dimensionen, sind eher klein als groß, können als Schmuckstück getragen werden, schmeicheln Auge und Hand und locken mit ihrem Detailreichtum zu genauer Betrachtung, die sie als beredte Botschafter weit ausgreifender, inspirierender Zusammenhänge ausweist.
Wo kommt hier ein Gabelstapler vor?
In Australien, wo Peter Bauhuis im Frühjahr 2024 eine Residency in der Fundere Foundry in Sunshine, im Westen von Melbourne, verbrachte. Hier wird Künstlern das technische Know-how und der Raum geboten um ihre bestehende Praxis durch das Spiel mit neuen Verfahren, Materialien oder Größenordnungen zu erweitern. Sechs Wochen hatte Peter Bauhuis Zeit um, in Kooperation mit einem erfahrenen Team, herauszufinden wie GROSS er arbeiten kann.
Nach der Anfertigung erster Testobjekte wurde er mit einem riesigen Styroporblock konfrontiert, aus dem er zuerst den Kern einer Form schnitt, diese dann mit Ton ummantelte … etc.etc.

„Es erforderte eine raffinierte Mischung von einem Haufen Technik“ sagt er, bei der der Einsatz eines 3 Tonnen Krans eine ebenso wichtige Rolle spielte wie sorgfältige Handarbeit. Große Erfahrung und Rücksicht auf diverse Parameter, physikalische und chemische Prozesse, wurden gebraucht, bis aus 86 Kilogramm Kupferschrott, Messing und Zink, unter möglichst genau dosierter Hitze etwas Großes entstand.
„Once in a lifetime“ das Grosse zu wagen ist pure Herausforderung, ein spannendes Abenteuer. Es katapultiert die Versuchsanordnung aus der rein objekt-ästhetischen in eine ganz andere gedankliche und praktische Sphäre. Hinzu kommt die Kooperation in einem Team, das Handling der hilfreichen Maschinen – des Gabelstaplers! Als Goldschmied war das für Peter Bauhuis bisher eine völlig fremde Welt, die ihm auch Angst machte. Umso mehr ist er davon fasziniert wie sich der Prozess skalieren ließ und das vollendete Werk trotzdem seine Autorenschaft eindeutig widerspiegelt. Und, vor allem, seine skulpturalen Qualitäten kraftvoll in den Raum wirken.
Diese große Arbeit, auch als Sinnbild einer großartigen Herausforderung und Erfahrung, steht nun in der Ausstellung „Peter Bauhuis – die Sammlung Blüml“, die in diesen Tagen die Galerie des Bayerischen Kunstgewerbevereins in eine Kunst- und Wunderkammer verwandelt.

silver 925, gold 750
120 x 40 x 15 mm
Inspiriert von jenen Sammlungsräumen barocker Fürsten und Forscher, in denen kostbare Kunstwerke (Artificialia), seltene Naturalien (Naturalia), wissenschaftliche Instrumente (Scientifica), Objekte aus fremden Welten (Exotica) und wundersame Dinge (Mirabilia) aufbewahrt wurden. Ihre dingliche Magie wird uns sogar im Jahr 2025 verzaubern, in dem alles auf dem Weg in die virtuelle Realität zu entschwinden scheint. Regie führt der Künstler, Gold- und Silberschmied, Schmuckgestalter, Alchimist, Autor und brillante Geschichtenerzähler Peter Bauhuis, der zur gemeinschaftlichen Ausstellung mit seinem Alter Ego, dem Kunsthistoriker und Sammler Hans Blüml einlädt. Dessen „Nichte“ Chiara Blüml-Bondi wird zur Einführung sprechen und ich bin mir sicher, man sollte das nicht verpassen.

OREICHALKOS
Ring, 2024
5 x 2,8 x 3 cm
Gelbbronze
yellow bronze
Im Mittelpunkt steht Peter Bauhuis‘ vielfältiges Oeuvre, vom ABECEDARIUM bis zur Venus von Z., im Dialog mit den Fundstücken, augenzwinkernden Behauptungen und Kuriositäten der Sammlung Blüml. Die Kunst der Assoziation und humorvollen Interpretation beherrschen die „beiden“ Protagonisten par excellence. Realität und Fiktion verweben sie zu einer Atmosphäre, in der auch die Besucher und Betrachter zu Forschern und Entdeckern werden können.
Peter Bauhuis ist in Deutschland geboren und lebt und arbeitet in München. Als gelernter Goldschmied studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in München. Seit 1999 stellte er seine Arbeiten weltweit aus und gewann zahlreiche Preise und Auszeichnungen. 2020 wurde seine Arbeit für die Shortlist des Loewe Craft Prize ausgewählt. Seine Arbeiten sind Teil öffentlicher Sammlungen in Europa, den USA und Australien.
Bayerischer Kunstgewerbeverein e.V.
Pacellistraße 6-8, 80333 München
Öffnungszeiten: Mo – Sa von 10 bis 18 Uhr
Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 27. Februar 2025 von 18.00 bis 20.00 Uhr
