Neueröffnung der Glassammlung mit „Mythos Murano“: Düsseldorf

Sunnei S.r.l., Sexspielzeug „Gurke, Sex toy “Cucumber”, Sunnei S.r.l., 2022, Farbglasstangen (weiß, gelb, schwarzviolett, grün, blau, rot), verschmolzen, fünfkantig geformt und verdreht, kleine Standfläche plangeschliffen, (H x B x T): 12 × 20,7 × 4,6 cm, Ankauf, Foto: Kunstpalast, Düsseldorf

Nach einer umfassendere Modernisierung ist seit November 2024 eine der weltweit größten Glassammlungen wieder zu sehen: Üüer 1.000 Exponate aus der rund 13.000 Objekte umfassenden Kollektion des Kunstpalastes geben Einblick in die Geschichte der Glaskunst – beginnend mit der Antike über das Mittelalter bis hin zu zeitgenössischen Glasobjekten.

In den neu gestalteten Räumen der Glassammlung erwarten Besucher und Besucher*innen Objekte aus verschiedenen Epochen. ZU den ältesten im chronologischen Rundgang gezeigten Beständen zählt altägyptischer Schmuck aus der Zeit 1350 bis 1250 vor Christus, während die jüngste Arbeit „Wasserwesen“ von Lea Lenhart *1972 erst 2024 fertiggestellt wurde.

Wie auch im übrigen Sammlungsrundgang führt ein von dem Künstler und Illustrator Christoph Niemann gestalteter Kinderraum die jüngsten Gäste des Hauses an die fragile und durch Lichtbrechungen und kaleidoskopartiges Farbenspiel besonders faszinierende Glaskunst heran.

In einem neu geschaffenen Ausstellungsbereich unserer Glassammlung werden ab sofort jährlich wechselnde Themenausstellungen gezeigt. Den Anfang macht Mythos Murano: Seit 700 Jahren ist die kleine Laguneninsel Murano bei Venedig der Inbegriff großartiger Glaskunst.

Hier werden uralte Bräuche des Glasmacherhandwerks bewahrt und Geheimnisse neuer Farben und Herstellungsmethoden gehütet. Die letzte große Blütezeit war von 1920 bis 1970, wovon der Mythos Murano heute noch zehrt. Der Kunstpalast besitzt aus diesem Zeitraum eine umfangreiche Sammlung, aus der 135 herausragende Arbeiten präsentiert werden.

Seit dem 13. Jahrhundert entwickelte sich Venedig zur weltweiten Hauptstadt der Glaskunst. In der Hafen- und Handelsmetropole waren die besten Rohstoffe verfügbar und ermöglichten die Herstellung neuartiger Glassorten. Im Wettbewerb auf engem Raum und über viele Generationen bildete sich eine Könnerschaft im Umgang mit der Glasmacherpfeife heraus, die andernorts nicht erreicht wurde.

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Luciano Gaspari, Vase aus der „Marine“-Serie, Murano, ca. 1965–1980, Gelbes Glas, farblos überfangen, aufgeschmolzene blaue Bänder, erneut farblos überfangen, Boden geschliffen, (H x B x T): 23,9 x 20,8 x 11,8 cm, Schenkung von Helmut Hentrich, Foto: Kunstpalast, Düsseldorf

Nach 500 Jahren von Höhen und Tiefen kam es im 19. Jahrhundert zu einem neuen Aufbruch. Die Werkstätten des italienischen Anwalts und Unternehmers Antonio Salviati brachten neues Leben in die Glasproduktion, und Murano gewann in den 1870er Jahren seinen Ruf zurück.

Der Erfolg war nur von kurzer Dauer, denn schon seit etwa 1890 entsprach das italienische, an historische Vorbilder angelehnte Glas nicht mehr dem Zeitgeschmack. Der Anschluss an die modernen Strömungen in der angewandten Kunst gelang 1921–1925 mit der Gründung einer neuen Glasfirma durch den venezianischen Kunsthändler Giacomo Cappellin und den Mailänder Rechtsanwalt Paolo Venini. Deren Erzeugnisse nehmen Formen der Vergangenheit auf und wirken dennoch zeitlos modern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat eine junge Generation von Gestalter*innen an. Sie brachten mit ihrer Experimentierfreude des italienischen Designs neue Ideen nach Murano. Erheblichen Einfluss nahmen ausländische Handelshäuser, etwa in Frankreich und den USA, die den Betrieb der Produktionsstätten durch ihre regelmäßigen Aufträge sicherten.
Ein vorherrschendes Produkt aus den Werkstätten ist die Vase, die einen Gebrauchscharakter hat und zugleich als eigenständiges Kunstwerk gelten kann.

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Alessandro Pianon, Orangefarbenes Küken (pulcino), Murano, ca. 1960–1962 (Entwurf), Orangefarbenes Glas, frei geblasen, aufgeschmolzene rote Krösel und Mosaikglasscheiben (murrine); Kupferdraht, gehämmert, in farbloses Glas gefasst. (H x B x T): 23,3 x 15,4 x 14,2 cm, Ankauf, Foto: Kunstpalast, Düsseldorf

Der Schritt zur freien künstlerischen Plastik wurde nur selten gegangen. Die venezianischen Künstler Livio Seguso und Luciano Vistosi sind mit ihren Werken, die sich von der Gefäßform der Vase entfernen, die bemerkenswerten Ausnahmen. Mit ihrer Faszination für das Material Glas lassen Künstler*innen aus aller Welt, wie etwa der Bildhauer Tony Cragg, heute ihre Ideen auf Murano in Glas umsetzen.
Werkstätten, die mit Künstler*innen zusammenarbeiten, gibt es inzwischen in vielen Ländern. Aber der „Mythos Murano“ lockt nach wie vor nach Venedig. (Kurator: Dedo von Kerssenbrock-Krosigk, Kunstpalast)

Kunstpalast

Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf

Öffnungszeiten: Di – So: 11:00 – 18:00 | Do: 11:00 – 21:00 | Mo: geschlossen