Nun also erneut die 16. arnoldsche weekend art gallery als halbjährlich inspirierendes Event in Stuttgart. Ihr Initiator und Kurator, der Verleger Dirk Allgaier, erweist sich stetig als äusserst aufmerksamer Beobachter der Entwicklungen in der zeitgenössischen angewandten Kunst, an denen er durch seine pointierten Ausstellungen ALLE teilhaben lässt. Seinen Fokus setzt er hierbei zumeist auf das Feld der künstlerischen Keramik und der Schmuckkunst. Aktuell wagt Dirk Allgaier die beredte Gegenüberstellung eines anerkannten, etablierten Meisterwerkes mit zwei aussergewöhnlichen Positionen der jüngsten Generation von Schmuckkünstlern.

Das vielfältige schmuckkünstlerische Werk Daniel Krugers sorgt bis zum heutigen Tag für seine internationale Reputation – sein unvergleichliches keramisches Oeuvre aus den 1980er und den frühen 2000er Jahren ist dagegen weniger bekannt aber nicht weniger spektakulär. Im Spiel mit Formen der europäischen Keramik, wie zum Beispiel der Tulpen- oder Deckelvasen, dem Delfter Blau-Weiß oder barocker Tischgerichte, lädt er diese klassischen Vorbilder mit Bildern homoerotischer Akte, mehr oder weniger symbolischer phallischer Formen oder abgegossener Schwämme und Tierknochen auf. Er verbindet das Ästhetische mit dem Erotischen und lässt sein Werk meisterhaft zwischen Kunst und Kitsch, Erotik und Sexualität sowie zwischen Historie und Moderne oszillieren.

Direkt und unerschrocken tritt die junge Schmuckkünstlerin Gina Nadine Müller mit ihren Objekten in eine Art Zwiegespräch mit dem Körper, sie prüft die Bezüge der entstehenden Arbeiten zum Körper. Ihr Schmuck suggeriert Teil des Körperlichen zu sein, des Individuums, dessen Emotionen und Leben. Die Farben sind sanft, fleischfarben oder in Rosé-tönen, die Materialien und Oberflächen, das Haptische und die formalen Zitate sind pure Verlockung und animieren den Wunsch zu berühren. Sinnlich und intim entfaltet ihre laszive Fantasie eine unfassbare Kreativität in der gleichzeitig überraschenden wie überzeugenden Umdeutung der verwendeten Materialien.

Auch für Lifu Zhou steht die geradezu alchemistische Verwandlung von Material, z.B.von Essensresten, im Fokus um organischen Schmuck, der Mineralien ähnelt, täuschend echt nachzuempfinden. Mit diesen Arbeiten untersucht er die Art und Weise wie Menschen Dinge wahrnehmen. Es geht ihm hier um Real und Irreal sowie um Authentizität und Nachhaltigkeit. Es gelang ihm in den drei Broschen, die als seine Abschlussarbeiten an der Hochschule Pforzheim entstanden (siehe Bild) „eine großartige Verschmelzung von Digitalität und Physikalität, von Tradition und Innovation, von Individualität und postmoderner Gesellschaft sowie von Sinnlichkeit und Rationalität in einer großen künstlerischen und zeitgenössischen Formensprache“.
Die Praktiken der Umdeutung von Material und Form aller hier vorgestellten Künstler, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer Generation, befreien unsere Erwartungen und entfesseln unsere assoziative Kraft. Nah an der Kunst überraschen und verführen sie uns dazu, unsere Wahrnehmung zu schärfen – und uns vermutlich dennoch in diesem Verwirrspiel von Schein und Sein zu verlieren.
© Schnuppe von Gwinner
arnoldsche ART PUBLISHERS
Olgastraße 137
70180 Stuttgart
Eröffnung: Freitag, den 15. November 2024, ab 18:30 Uhr
Dauer der Ausstellung: 16. und 17. November 2024, 10—17 Uhr – alle Exponate können erworben werden.
