ceramic brussels – die neue Keramik-Messe: ein Interview mit Jean-Marc Dimanche

Eingang der Messe @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch 


Im Januar 2024 wurde die erste Ausgabe der Messe „ceramic brussels“ in der belgischen Hauptstadt veranstaltet – eine Messe die sich ganz und gar dem Medium Keramik verschrieben hat. Sie lief über 4 Tage, hatte 12.900 Besucher, präsentierte 55 Galerien mit rund 200 Künstlern aus mehr als 10 Ländern, bot eine Einzelausstellung von Johan Creten, 7 Vorträge und wurde von  über 100 Presseartikeln vorgestellt!

CHAPEAU!!!

Jean-MarcDimanche&GillesParmentier
Gilles Parmentier & Jean-Marc Dimanche @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Da die deutsche Beteiligung an der ersten „ceramic brussels“ nicht in Prozentzahlen zu ermessen war,  möchte ich in einem Interview mit Jean-Marc Dimanche, Generalkommissar Biennale De Mains De Maîtres Luxemburg und Co-Direktor ceramic brussels art fair, den Scheinwerfer auf die „ceramic brussels“ lenken, denn: nach der Messe ist vor der Messe!

Schnuppe: Was waren die Gründe dafür, eine Messe zu veranstalten, die ausschließlich der Keramik als Werk- und Kunstmaterial gewidmet ist?

Jean-Marc: Die ursprüngliche Absicht, die ich mit Gilles Parmentier, dem Mitbegründer von „ceramic brussels“, teile, besteht wirklich darin, eine Bestandsaufnahme der Keramik in der heutigen Zeit zu machen und die Frage nach ihrem Platz im Herzen des Kunstmarktes zu stellen.

Exposition Art Prize
Ausstellung Art Prize @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Nach dem Aufschwung der Nachkriegszeit, Picasso sei Dank, gefolgt von einem zwanzigjährigen Fegefeuer, scheint dieses Medium wie neugeboren und für zeitgenössische Künstler aller Art wieder attraktiv zu sein. Natürlich gibt es nach wie vor Strömungen, von den traditionellsten Keramikern, die noch immer als Kunsthandwerker gelten, bis hin zu den kühnsten Plastikern und Bildhauern, die Ton wie jedes andere Material verwenden, von Johan Creten bis Anne Wenzel, oder auch Klara Kristalova, Elisabeth Jaeger, Miguel Barcelo, Françoise Pétrovitch... um nur die Bekanntesten zu nennen. Doch die Offenheit hat sich gesteigert, und diese erste Ausgabe der „ceramic brussels“  zeugte mit ihrer sehr großen Vielfalt an Werken davon. Unser Ziel war es, das Publikum zu überraschen, egal ob es sich um einfache Liebhaber oder Sammler handelte, die sich für Keramik, aber vor allem auch für Kunst interessieren. Wir wollten den Reichtum eines Mediums, das zu den am besten verarbeitbaren und wandelbaren gehört, in den Vordergrund stellen.

Schnuppe: In der Keramik reicht das breite Spektrum der Möglichkeiten von der angewandten bis zur freien Kunst, von der Töpferei bis zum Bildhaueratelier – die begrifflichen Grenzen verschwimmen – ist es wirklich sinnvoll, sie materiell einzuhegen?

Arsenic galerie & Bernard Jordan
Arsenic galerie & Bernard Jordan @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Jean-Marc: Ich glaube nicht, dass es darum geht, sie einzuhegen, sondern vielmehr darum, die vielfältigen Möglichkeiten aufzuzeigen, die die Keramik zu Beginn des 21. Jahrhunderts bietet. Ich für meinen Teil bin seit langem der Meinung, dass Keramik unterschätzt, ja sogar unterbewertet wird und bei den großen Veranstaltungen der zeitgenössischen Kunst immer in die zweite Reihe verbannt wird. Seit etwa 15 Jahren ist sie übrigens überall zu finden, manchmal im Bereich des Designs (Collectible, Design Miami…), manchmal im Bereich des Handwerks (REVELATIONS, Collect…), bis hin zu den bildenden Künsten (Paris +, Art Paris…), aber vielleicht nirgends wirklich an ihrem Platz und in ihrem wahren Wert anerkannt. Sie wieder in den Mittelpunkt zu rücken, ist unserer Meinung nach die beste und vielleicht einzige Möglichkeit, sie zu befreien und zu feiern.

Schnuppe: Was waren die Kriterien für die Organisation der Messe in Brüssel?

Galerie Jacques Cérami - Manuel Sanchez-Algora
Galerie Jacques Cérami – Manuel Sanchez-Algora @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Jean-Marc: Die Kriterien sind immer sehr subjektiv. In erster Linie würde ich sagen, dass die Qualität im Vordergrund steht, aber das kann natürlich auch die Ästhetik, Technik oder Innovation sein. Am besten ist es, wenn sie alle drei zusammenkommen.
Vor allem aber hatte für uns Priorität, alle Strömungen, aber auch möglichst viele aktuelle Trends und Projektionen aufzunehmen und zu repräsentieren, um die bereits erwähnte Gesamtschau zu ermöglichen. Die Auswahl der Galerien schien uns entscheidend zu sein, von spezialisierten Galerien wie Capazza, Puls oder Lefebvre & Fils bis hin zu eher allgemeinen Galerien wie Transit, Sator, Michel Rein oder Papillon. Sie sollten mit ihren Künstlern das breite Feld der zeitgenössischen Keramik abdecken. Das ist der Sinn einer Messe, zu einem bestimmten Zeitpunkt so viele Angebote wie möglich zu präsentieren und sie gleichzeitig miteinander in Kontakt zu bringen, in einen Dialog zu führen und sie, zu ihrem Vorteil und für die Zukunft,  einander gegenüberzustellen.

Schnuppe: Welche Zielgruppen möchte die „ceramic brussels“ vor allem ansprechen?

Johan Creten invité d'honneur
Ehrengast Johan Creten @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Jean-Marc: Natürlich sagt der, der Messe sagt auch Sammler, und wie ich schon anmerkte, sollten alle Kunstsammler eingeladen werden und nicht nur die Keramikliebhaber. Aber ich denke, dass eine Veranstaltung wie diese auch alle Künstler und Keramiker zusammenbringen sollte, auch die jüngeren, die manchmal nicht einmal eine Ahnung von den Möglichkeiten dieses Mediums haben. Der Anspruch oder Traum ist es, diese Veranstaltung zum jährlichen Treffpunkt der Keramik zu machen, der weit über eine einfache Handelsmesse hinausgeht.

Schnuppe: Wie ist der Beirat zusammengesetzt und wie wichtig ist er für das Konzept der Messe?

Galeries Jonathan Kugel & Fontana
Galerien Jonathan Kugel & Fontana @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Jean-Marc: Der Beirat, vor allem bei einer ersten Veranstaltung, ist dazu da, der Branche und dem Markt Sicherheit zu geben. Er ist ein Qualitätsgarant und hat uns während des gesamten Auswahlprozesses begleitet, manchmal sogar als Botschafter gegenüber den Galerien. Auch wenn die „ceramic brussels“ nicht aus Galeristen besteht, war es uns wichtig, Experten aus verschiedenen Bereichen um uns zu versammeln, von Museen über Schulen und Ausbildungszentren bis hin zu unserem Ehrengast, einem Künstler, der in den letzten 20 Jahren maßgeblich zur Erneuerung der Keramik beigetragen hat.

Schnuppe: Das kulturelle Begleitprogramm der „ceramic brussels“  war sehr ambitioniert – was waren Ihre Absichten bei der Zusammenstellung dieses Programms?

Galerie Sator - Christian Gonzenbach
Galerie Sator – Christian Gonzenbach @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Jean-Marc: Für mich war es die erste Messe als Veranstalter. Gilles Parmentier hat mehr Erfahrung, da er bereits seit einigen Jahren die Art on Paper, eine Messe für Zeichnungen, leitet. Wir wollen beide über den reinen kommerziellen Aspekt hinausgehen, mit dem Ehrgeiz, der Keramik zu dienen. Das haben wir mit dem Art Prize versucht, der aufstrebenden Künstlern offen steht, die oft nicht von Galerien vertreten werden. Ihnen einen solchen Platz von fast 200 Quadratmetern  direkt am Eingang der Veranstaltung zu bieten, ist in dieser Hinsicht ein Manifest und hat unseren zehn Preisträgern eine unglaubliche Sichtbarkeit verschafft. Über die drei verliehenen Preise hinaus – ich möchte die Gelegenheit nutzen, um der Stiftung LAcollade und dem Centre Wallonie-Bruxelles zu danken – konnten die meisten von ihnen bereits bei dieser Gelegenheit eine Galerie finden oder sie wurden für Ausstellungsprojekte angesprochen.

DOUBLE V GALLERY - Maximilien Pellet
DOUBLE V GALLERY – Maximilien Pellet @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch

Dies ist für eine erste Ausgabe ein echter Erfolg mit mehr als 200 eingegangenen Bewerbungen und in dieser Hinsicht eine echte Herausforderung für unsere Jury, der ich ebenfalls danken möchte. Das Konferenzprogramm war ebenfalls Teil unserer inhaltlichen Ausrichtung und war mit sieben Talks zu sehr unterschiedlichen Themen (Markt, Technik, Vermittlung…), die jeweils von 80 bis 100 Personen besucht wurden, ein voller Erfolg. All dies trägt zur Identität der Messe bei, ebenso wie die kreisförmige Szenografie, die vielleicht überrascht hat, aber für uns sehr wichtig ist. Wir zeigen Keramik nicht unbedingt wie Malerei oder Zeichnungen.

Schnuppe: 2024 nahmen nur Galerien und von Kuratoren organisierte Präsentationen teil – keine einzelnen Künstler – wird dieses Prinzip auch in Zukunft beibehalten?

Jean-Marc: Natürlich, denn das ist das Prinzip unserer Messe. Ich denke, dass es in Europa und der Welt viele Messen gibt, um einzelne Künstler zu begrüßen, von denen wir uns meiner Meinung nach abheben, indem wir uns voll und ganz dazu bekennen.

Schnuppe: Eine zweite Ausgabe der Messe ist für 2025 angekündigt. Welche Ideen und Ziele möchten Sie bei dieser zweiten Ausgabe verwirklichen?

Jean-Marc: Das vorrangige Ziel ist es, in Qualität und Inhalt zu wachsen, nicht in der Quantität. Ausgehend von 55 Galerien im Jahr 2024 werden wir 65, vielleicht 70 Galerien im Jahr 2025 begrüßen, nicht mehr. Dies mit dem Ziel, uns stärker international zu öffnen, was bei einer ersten Ausgabe immer schwieriger ist. Es gibt auch noch viel zu verbessern, was den Empfang und die Dienstleistungen für unsere Besucher angeht, woran wir bereits jetzt arbeiten.

Unter dem Gesichtspunkt der Neuheiten wird die Ausgabe 2025 über Michel Giraud hinaus, der uns in diesem Jahr die Freude gemacht hat, uns zu begleiten, auch modernen Galerien offen stehen. Wir sind der Auffassung, dass dies eine echte Perspektive und einen anderen Blick auf das Medium Keramik eröffnen kann, wodurch ihre Position auf dem Kunstmarkt gestärkt wird.

Schnuppe: Vielen Dank lieber Jean-Marc und alles Gute für die Zukunft.

Galerie-Bewerbungen für ceramic brussels 22. bis 26.01.2025 https://ceramic.brussels/en

Jean-Marc Dimanche: Gründer der Designagentur V.I.T.R.I.O.L. die er 20 Jahre geleitet hat. Er gründete 2008, zusammen mit Florence Guillier-Bernard, Maison Parisienne, eine Galerie, die sich dem französischen Kunsthandwerk widmet. Anfang 2016 wurde er als Berater Ihrer Königlichen Hoheit, der Erbgroßherzogin von Luxemburg, berufen und arbeitete an der Gründung der Biennale De Mains De Maîtres, deren Generalkommissar er heute ist. Zwischen 2019 und 2022 leitet er ELEVEN STEENS, einen privaten Raum in Brüssel, der der Kunst und der „Materie“ gewidmet ist. Seit Januar 2019 ist er Mitarbeiter der Zeitschrift Revue de la Céramique et du Verre. 2023 gründete er gemeinsam mit Gilles Parmentier die ceramic brussels art fair, deren Co-Direktor er seither ist. (Quelle:Text)

Schnuppe: Ich lernte Jean-Marc Dimanche 2019 auf der Révelations in Paris kennen und kuratierte auf seine Einladung hin in den deutschen Beitrag zur Biennale De Mains De Maîtres 2022.

Installation du duo Rond Carré
Installation des Dous Rond Carré @ceramic brussels 2024, photography Geoffrey Fritsch