Spezielle Zustände starker Konzentration | Felix Lindner – Florian Milker: Berlin bis 24. 08.2024

OONA Ausstellungsinstallation Juni 2024 | Foto: Till Bortels

OONA, die Galerie für zeitgenössischen Schmuck in Berlin, stellt aktuelle Arbeiten von Felix Lindner und Florian Milker aus. Idee – Handwerk – Technologie – Material und Form: sie alle miteinander in Einklang zu bringen erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration, oft über lange Zeiträume hinweg.

Die beiden Künstler Felix Lindner und Florian Milker verbindet eine manchmal schon obsessive Freude am Tüfteln. Beide vertiefen sich in Materialkunde, traditionelle Techniken und moderne Technologien, um am Ende Schmuckstücke zu schaffen, die Leichtigkeit ausstrahlen und manchmal fast kindliche Freude.

Die Ringe „Arabesques“ von Felix Lindner wurden inspiriert von miniaturhaften Ausstechförmchen für die Patisserie in Marokko. Wie schon so oft gelingt es dem Künstler, eine kleine Kostbarkeit aus dem Strudel des Alltags zu fischen und sie mit Hingabe in ein beständiges Schmuckstück zu verwandeln. Ein flacher Goldstreifen wird zu einer abstrahierten Blüte gebogen, sein warmer Glanz und sein sattes Gewicht faszinieren – Zurückhaltung und Splendidität in perfekter Balance.

Felix Lindners Arbeit ist stark mit goldschmiedischer Tradition verbunden. Ein beständiger Antrieb seiner Arbeit ist, diese in unsere Gegenwart zu überführen, Vergangenes zu bewahren und Neues daraus zu schöpfen. Schlummernde Schätze – die tiefroten Böhmischen Granate in den „Tear Drop-Ohrringen stammen aus alten Werkstattbeständen, die über Generationen weitergereicht wurden. Keiner gleicht dem anderen. Jeder ist mit einem variierenden historischen Schliff versehen und erhält nun ein zweites Glänzen als kostbarer Blutstropfen am Ohr. Während die winzigen Gold-Fassungen der „Tear Drops“ präzise mit der CNC-Fräse gearbeitet sind, verleiht die – mit manueller Anstrengung verbundene – Blechschere den Ringen aus Stahlblech ihre besondere Form. Die Spuren der Bearbeitung sind gleichzeitig Gestaltungsmittel – facettierte Kanten, Kerben, kleine Risse. Schliesslich werden die Ringe mit 750er Gold gelötet, nicht versteckt, wie üblich, sondern bewusst sichtbar.

Felix Lindners Umgang mit Gold entspringt eindeutig seiner Liebe zum Material – jeder repräsentative Gedanke spielt hier eine untergeordnete Rolle und tritt dezent in den Hintergrund.

Florian Milker spannt einen Bogen von der klassischen, bereits im Altertum existierenden Technik des Drechselns zur computergesteuerten Technologie des 3D-Drucks.

Im Erzgebirge fand er im traditionsreichen Ort Seiffen Drechslerwerkstätten, in denen er

entwickelte, eine Reihe von Anhängern: feine Behälter aus Lindenholz, die dem Schmuckmacher höchste Konzentration abverlangen – die bei hoher Drehzahl einzuarbeitenden Konturen erfordern enormes Fingerspitzengefühl, da jeglicher Fehler irreversibel ist. Schliesslich entstanden Formen, die an kleine Parfümflakons erinnern – kleine Gefässe, die kostbare Essenzen oder andere wertvolle Dinge bergen könnten. Seine Anhänger „Potions“ sieht Florian Milker als Metapher für Intimität – ein im Zeitalter des ständigen „sich nach aussen Stülpens“ hohes und manchmal rares Gut. Mit raffinierten Lasuren und Lacktechniken auf der Oberfläche verleiht der Künstler jedem Stück einen einzigartigen Charakter.

Die Freude am Ausprobieren von Technologien und am Erforschen von Material führte Florian Milker vor einigen Jahren zum 3D-Druck. Fasziniert von diesem vergleichsweise jungen Herstellungsverfahren, ging es ihm neben seinem technischen Potenzial unbedingt auch darum, eine adäquate Formensprache für Schmuck zu finden. Die Möglichkeiten der VR Brille eröffneten dem Künstler eine neuartige Formenwelt: skulpturale Schmuckobjekte kommen vielleicht der Ästhetik von Sneakers am nächsten – zum Beispiel in Gestalt voluminöser Armreifen, leicht und von sportiver Farbigkeit.

Tradition und Gegenwart halten bei beiden Künstlern auf produktive Weise Zwiesprache. Die Werkstatt ist für Felix Lindner und Florian Milker  offensichtlich viel mehr als nur ein Produktionsort. Als Labor, Denkraum und Schatzkammer ist sie Quelle von Inspirationen und prägt den oft langwierigen Schaffensprozess.

…hier stellen sich mitunter „Spezielle Zustände starker Konzentration“ ein. (Pressetext)

OONA – Galerie für zeitgenössischen Schmuck

Anna Schetelich
Auguststrasse 26
10117 Berlin

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr, Samstag 13 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung